Kurzkrimi Fortsetzung Kapitel 2/ Teil 4

Nachbarschaft – was man so alles weiß und hört…

Zurück im Büro meint Naßer, Sarah sei nicht zu trauen. Er glaube nicht an diese heile Ehe. Es käme ihm spanisch vor, auch wie ihre Reaktion damals am Abend des Mordes. Vielleicht sollte doch observiert werden. Die Schwägerin Christine Lang bestätigte, dass Sarah am Tatabend bis ca. 19 Uhr bei ihr gewesen sei. Die Ehe sei gut gewesen. Nur kleine, unbedeutende Streitigkeiten ab und zu. Normal halt. Müller geht ohne Hund im Viertel Gassi. Naßer ist gleichzeitig  in den Weinbergen unterwegs. Das war wohl immer der Weg des Mordopfers. Frau Arndt schaut sich Müllers Ausweis genau an, man liest ja so viel. Die würde man nicht von der Bettkante schubsen, denkt sich Müller. Gute, nicht zu üppige Figur, lange Beine und wallendes kastanienbraunes, weit über die Schultern reichendes Haar. Ja, den hätte sie oft gesehen. Der hätte sie  anzüglich angeguckt und immer eine Zeit lang vor dem Haus gestanden und rüber geschaut. Dann überquerte er die Straße, erinnert sie sich, und dann hätte jedes Mal der Hund am Betonbriefkastenblock sein Bein gehoben. Glauben Sie mir, das gibt hässliche Flecken. Und zwei Meter lange Urindeltas auf dem Gehsteig. Ihr Mann hätte dann dieses gelb-grüne Pulver verstreut. Seitdem sei Ruhe gewesen. Freundlich gegrüßt hätte er immer. Aber sie nicht zurück. Einmal habe er sogar geklingelt. Sie habe nicht geöffnet und weiß auch nicht, was er gewollt hätte. Vielleicht wegen der reifen Quitten im Vorgarten. Er hatte einen Korb dabei. Sie müsse jetzt ihren Jungen von Familie Wegmüller abholen. Und schon sitzt sie im hochbeinigen Panzer, es dieselt. Kurz notieren.

Frau Wiebelsberg von schräg gegenüber, ca. 80 Jahre, steht an der Mülltonne und mustert  Müller neugierig. Sie sind von der Polizei, dass sieht man gleich und schon sprudelt es aus ihr heraus. Müller schämt sich jedes Mal sofort als Polizeibeamter erkannt zu werden. Dabei hat er doch so ein Allerweltsgesicht. Kleidung eher leger. Jeans. Wasner wäre sehr nett gewesen, immer zu einem Späßchen aufgelegt. Sie habe Stanley, den Hund, immer streicheln dürfen. Ein durch und durch feiner Mann. Als Gartenbesitzer hätten sie sich übers Wetter unterhalten. Sei ja schlimm hier in Mainfranken, der fehlende Regen. Er sagte ihr immer voraus, wenn Regen zu erwarten war. und sie die Regentonnen auffüllen konnte. Hilfsbereit also. Montag Nachmittag habe er ihre Mülltonnen immer aufs Grundstück zurückgebracht. Ja, immer hilfsbereit. Im Gegensatz zu manch andern in dieser Straße. Ihr Blick richtet sich zum Nachbarhaus. Sie will weiter ausholen und ob er nicht eine Tasse Kaffee wolle, frisch aufgebrüht. aber Müller will dem Redeschwall  ein Ende bereiten und bedankt sich. Geschwätz und üble Nachrede will er nicht notieren. Ein Haus weiter bei Anton macht keiner auf. Der silberne Oldtimer, flankiert von einem grünen Land Rover, steht blank geputzt in der Garage. Das schaumiges Waschwasser schimmert noch unter dem Kanalrost. Der Vorhang im 1. Stock bewegt sich. Müller versucht es noch mal. Komme, klingt es krächzend aus der Gegensprechanlage. Ein untersetzter Mann mit Halbglatze erscheint an dem weiß-lackierten Holztor, das zusammen mit der akkurat gestutzten Ligusterhecke vor neugierigen Blicken auf das Grundstück schützt. Ob er von der Bluttat gelesen oder gehört hätte und den Mann kenne. Ja natürlich, der wäre ja täglich zwei Mal an seinem Haus vorbeigekommen. Er wüsste auch, dass er ganz vorne in der Weinberg Straße wohne. Schrecklich, was da so passiert. Weiß man schon, was? Müller verneint, man sei ja erst am Anfang, aber mitten in der Untersuchung. Irgendwelche Beobachtungen am Tatabend? Anton verneint. Theaterbesuch mit seiner Mutter, Mozarts Zauberflöte, dann Bürgerstube . Schoppen genießen. Herrn Anton fällt ein, dass er gehört hätte, dass das Mordopfer einen Rechtsstreit mit einem Immobilienmakler gehabt hätte. Vielleicht hilft das ja weiter. Müller bedankt sich. Möglicherweise eine Spur.

Kapitel 3

Müller macht sich Notizen über Antons Aussagen. Er will noch mal zu Sarah Wasner. Nachfragen wegen des Rechtstreites. Sarah öffnet errötet die Tür. Neuigkeiten? Müller verneint und bittet eintreten zu dürfen. Sie hätte Besuch. Müller merkt, dass ihr sein unangemeldeter Besuch nicht in den Kram passt. Sarah führt ihn ins Wohnzimmer. Wo ist denn der Besuch? Müller scannt im Gehen die Wohnung ab. Keine Spur. Sie schließt hastig die Tür. Müller nimmt durch die Verglasung eine Gestalt war. Sarah lügt, unser Sohn, mein Sohn sei zur Unterstützung aus Berlin gekommen. Gibt es einen jahrelangen Rechtstreit?, kommt Müller zur Sache. Allerdings. Das Nachbargrundstück unterhalb. Zwei Mehrfamilienhäuser seien geplant. Nehmen uns voll die Sicht auf die Festung Marienberg. Seit vier Jahren gehe das schon hin und her. Permanent würde es Planänderungen geben, die Bauarbeiten schleppend. Äußerst ärgerlich. Ihr Mann habe sich furchtbar aufgeregt. Der Grundstückeigentümer und Immobilienmogul Herr Brandner sei unnachgiebig und trickreich. Viel Geld im Spiel. Brandner zieht viele Fäden in der Stadt. Nur gerichtliche Auseinandersetzungen oder gab es auch schon andersgeartete, will Müller wissen. Naja, es wird Druck ausgeübt, Brandner lässt Unrat auf das Grundstück bringen, zieht alle Register, man werde regelmäßig schikaniert. Wenn es wieder mal ein Stück vorangeht, werfen ihr die Bauarbeiter Anzüglichkeiten an den Kopf. Die hat Brandner entsprechend sensibilisiert und vielleicht auch finanziell mobilisiert. Ist ein Ende in Sicht? Nein, Stellungskrieg. Müller notiert sich die Umstände mit Brandner. Im Flur sieht er einen hoch gewachsenen Mann, der schnell in ein Zimmer huscht. Wohl kaum der Sohn, denkt sich Müller.

Fortsetzung folgt!!!!!

Kurzkrimi Fortsetzung Teil 3/ Kapitel 2

(Wer die anderen Teile verpasst hat, gibt auf der Startseite neben der Lupe „Kurzkrimi“ ein!)

Man ermittelt.

Kapitel 2

Sarah öffnete die Tür. Zwei Hände mit Ausweisen strecken sich ihr entgegen. Wir müssen Ihnen mitteilen. Naßer zeigt ein Foto auf dem Handy. Tod aufgefunden. Im Weinberg. Erschlagen. Sarah setzt sich. Die Blicke der beiden Herren, die sich als Müller und Naßer vorstellen, betreten. In solchen Augenblicken könnte Müller immer heulen. Sarah bleibt ruhig, fast anteilnahmslos. Ob sie ihn schon vermisst hätte. Ja, aber oft bliebe er länger mit dem Hund aus. Vielleicht sei ihm der Hund durchgegangen. Jagdinstinkt. Sie fragt gar nicht nach dem Hund. Der Hund ist auch tot. Liegt neben ihrem Mann.

Die Bitte einige Fragen zu stellen, beantwortet Sarah mit einem Nicken. Wann sie ihn zuletzt gesehen hätte. Am frühen Nachmittag. Sie sei dann bei ihrer Schwester in der Stadt gewesen, dann durch die Geschäfte gebummelt, ziellos. Um 20 Uhr sei sie zuhause gewesen. Er war nicht da. Müller und Naßer verabschieden sich. Sarah könne morgen in die Gerichtsmedizin kommen, zur sicheren Identifikation.

Komische Reaktion der Frau, meint Naßer. Das ist der Schock des ersten Moments. Das kennt man doch.

Ich weiß nicht. Vielleicht hat sie ihn selbst? Sie war in der Stadt. Alibi ist das keins. Da müssen wir noch mal nachhaken. Warum bringt sie den Hund auch um? Kann ich mir nicht vorstellen, dass sie das tut, meint Müller. Vielleicht hasst Sarah Wasner Hunde. Das kommt vor, gibt Naßer zu Bedenken.

Sarah verlässt schwarz-gekleidet die Gerichtsmedizin. Müller und Naßer sprechen die nächsten Schritte ab. Pressekonferenz. Aufruf an etwaige Zeugen. Wer hat am Dienstagabend gegen 20 Uhr irgendwelche Beobachtungen gemacht? Wer hat Herrn Wasner in Begleitung seines Hundes gesehen? Artikel dann groß in der Regionalzeitung: Rentner und Hund im Weinberg tot aufgefunden

Der Zeugenaufruf verhallt. Auch die kriminaltechnische Spurensicherung kommt zu keinen weiterführenden neuen Erkenntnissen, die auf den Täter schließen lassen könnten. Hammer als Tatwaffe vermutlich. Müller und Naßer sinnen über das Motiv nach. Raubmord war es nicht. Das war vorsätzlich geplant. Wer schleppt einen Hammer um diese Uhrzeit mit sich herum? Im Umfeld von Norbert und Sarah Nachforschungen anstellen. Nachbarn befragen, im Verwandten- und Bekanntenkreis. Gibt es ein Testament? Die Routinearbeiten von Müller und Naßer nehmen ihren Lauf.

Tag fünf  nach der Tat. Der Leichnam ist frei gegeben. Erneute Befragung von Sarah. Wie denn die Ehe gewesen wäre? Naja nach über 30 Jahren gibt es  Abnützungserscheinungen, man kennt sich zur Genüge, nicht mehr der frische Wind, ja klar, die vier Kinder aus dem Haus in alle Windrichtungen verstreut. Eheliche Treue sowieso. Man hatte noch viel vor. Vor allem zu reisen. Sarah Wasner sei ja um einiges jünger und nicht unattraktiv. Ob es da doch nicht jemanden gäbe. Sarah streitet entrüstet ab.

Fortsetzung folgt!!!!!!!

Fortsetzung Kurzkrimi: Dumm ja sogar tödlich gelaufen….

Kapitel 1/ Teil 2

Ein Buch schreiben: So fängt man an.

  1. Der Plot. Will man ein spannendes Buch schreiben, so braucht man einen guten Plot. …
  2. Der Hauptkonflikt. …
  3. Die Dramatik. …
  4. Die Figuren. …
  5. Die Spannung. …
  6. Genre und Thema. …
  7. Show don’t tell. …
  8. Die Dialoge.

Ein Buch schreiben: Das kann man lernen – diese zehn einfachen Grundregeln zeigen, worauf es beim Schreiben von spannenden Büchern wirklich ankommt….. (Google)

Nicht schlecht. Ich brauche einen Schreibplan. War da nicht in einem Spielfilm mal ein Schriftsteller, der auf Flipcharts oder an den Wänden den Ablauf seiner Geschichte festgehalten hat? Das brauche ich auch. Oben auf dem Dach müssten noch Tapetenrollen sein. Und? Wie sieht´s aus?, fragt Sarah beim Abendessen. Habe mich über die zehn Grundregeln des Schreibens gründlich informiert. Ich fange morgen an. Über was denn, will Sarah wissen. Kriminalgeschichte. Krimi du? Warum nicht? Du liest doch keine und beschwerst dich dauernd, dass im Fernsehen nichts anderes mehr läuft. Naja außer den bayerischen Cops. Verstehe ich nicht, dass du ausgerechnet dieses Genre bedienen willst. Da gibt es so viele, die auf dieser Welle reiten. Sarah hat nicht Unrecht. 7-Tage-Krimi-Woche. Jede Region, jedes Kaff hat mehrere Autoren. Und immer dasselbe: abgewrackte Akteure, zwielichtige Typen. kauzige Figuren oder vom Leben bestrafte Protagonisten. Wenn dann muss meine Geschichte anders werden. So was Hitchcockartiges. Amüsantes und Erotisches  muss auch dabei sein.

Ok. Mal Gedanken machen. Das Ganze muss raffiniert angelegt werden. Also Hauptperson bin wohl ich, der Ruheständler, der Beobachtungen macht. Ich-Form ist immer gut. Das gefällt mir auch immer an Karl Mays Kara Ben Nemsi oder Old Shatterhand. Genau genommen bin ich auch so ein Gutmensch wie diese. Eigentlich waren das ja auch Kriminalgeschichten , wenn man zum Beispiel an den Orientzyklus denkt.

In welchem Rahmen, Zeit und Ort spielt mein Roman. Frage nach der Verortung? Tapeten her.

Du musst dich da auskennen. Wenn jemand historische Kriminal-Romane schreiben will, setzt das langwährendes Studium des Zeit- und Lokalkolorits voraus. Also, das kommt schon mal nicht in Frage.

Rotlichtmilieu – keine Ahnung. Welt der Wirtschaft auch nix. Die politische Heimatgemeinde als Bühne. Naja. Da gibt´s die Huthschen“Schoppenfetzer“-Krimis. In Würzburg, meiner Heimatstadt, spielt das – allerdings verändere ich die Straßennamen. Ja genau generell sind alle Namen nicht zuzuordnen, nicht, dass noch Anzeigen von irgendwelchen Leuten nach der Veröffentlichung auf mich zukommen oder gar der Druck durch einstweilige Verfügung gestoppt wird oder Sarah zusammen mit mir Stellen im Buch schwärzen darf.

Und was macht die Schreiberei, fragt Sarah an einem Abend im März. Fortschritte? Sarah schaut mit ihren großen Augen auf den Computerbildschirm, den ich schnell ausschalte. Schluss für heute. Stanley kommt wedelnd unter dem Schreibtisch hervor. 5 neue Seiten geboren. Zangengeburt. Insgesamt 16 . Glücksgefühl. Man kommt dem Ende näher. Schon dämmrig. Also ab Richtung Weinberge wie üblich….

Stanley stellt die Ohren. Die Rute winkt zum letzten Mal. Der Schlag kommt plötzlich von hinten. Aus dem nichts. Ein zweiter folgt, unbarmherzig und gezielt. Stanley schmiegt sich mit letzter Kraft an mich. Aus.

Herrchen und Hund. Schöner Hund. Wer hat sie gefunden? Die Frau mit dem Dackel. Schädelbruch. Wie ein aufgeschlagenes Ei ausgelaufen. Blutrot getränkt liegen sie im Licht der hellen Halogenscheinwerfer der Feuerwehr. Uhrzeit Exitus? Heute Abend zwischen 19.30 Uhr – 20 Uhr. Also vor zwei Stunden. Irgendwelche Dinge bei sich? Nö. Die Frau kennt beide. Opfer wohnt in der Weinberg Straße.

Fortsetzung folgt!!!!!!

Wie versprochen der Kurzkrimi… Teil 1

Conny Martin

„Ich schreibe einen Krimi“

Hinweis:

Alle Personen, Orte und Handlungen in diesem Kurzroman sind fingiert. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Institutionen sind rein zufällig.

Würzburg 2022

Copyright cmartin

Kapitel 1/ Teil 1

Plötzlich Ruheständler

Ich bin Norbert Wasner. Meine Freunde sagen Nobbi zu mir. Im Ruhestand, also einer dieser Weißkopfindianer, die zu allen Tageszeiten die Stadt unsicher machen können und ihre Lebensmittel-Einkäufe prompt dann, so kurz vor Ladenschluss, zu tun gedenken, wenn die arbeitende Schicht nach langem Tagwerk an den Kassen mit den Hufen scharrt. Man kann in den Gesichtern lesen, der hätte mich doch vorlassen können mit seiner Butter und den zwei Joghurt. Jetzt selbst Weißkopfindianer vermeide ich es doch strikt zu diesen abendlichen Stoßzeiten einzukaufen. Freie Tagesplanung, aus und vorbei mit der Arbeiterei, dem Dienst. Endlich Zeit. Tun, was man schon immer tun wollte. Ewige Ferien – bis zum Tod. Seit dem 1. August ist´s so weit. Retired wie der Amerikaner sagt. Erst mal die Sommerurlaubszeit genießen und dann gleitet man gewiss schon etwas assimiliert locker in den verdienten Ruhestand, den Herbst des Lebens. Langweilig wird dir´s ja nicht. Du mit deinen vielen Hobbys, sagen Freunde und Verwandte. Da haben sie nicht Unrecht: Handy, Hund, Kochen, Gitarre, Wandern, Musik, Radfahren, Lesen, gelegentlich 6. Eigentlich Vollbeschäftigung. Daneben die notwendigen Alltagstätigkeiten.  Zu Fuß mit Hund oder E-Bike Besorgungen tätigen. Vor allem Lebensmittel einkaufen. Einen geruhsamen Einkauf genießen. Automatisch ergibt sich eine Rangliste der Supermärkte mit den attraktivsten Kundinnen oder dem gutaussehenden und freundlichem Personal. Darf man das überhaupt noch schreiben bzw. solche Gedanken haben? Naja der Discounter N. um die Ecke steht auf jeden Fall in der Rangliste ganz unten. Anders der Lebensmittelmarkt T. Schon am weitläufigen Parkplatz ersichtlich, dass hier die Reichen und Schönen einkaufen. Schwarzer SUV reiht sich an weißes Cabrio. Gut gestylt steht man an der Kasse. Lässig. Manche allerdings mit ihren quengelnden Rotzlöffeln bestraft, genervt. Das freut mich bisweilen diebisch, wenn die Bälger der Grazien sich so richtig aufführen. Sven-Balthasar gib` jetzt Ruhe. DU hattest schon zwei Müsliriegel. Manch andere in Gedanken versunken oder gelangweilt durch die Räumlichkeit blickend. Wenn man die Gedanken lesen könnte, das wär´ spannend. Von wegen die Gedanken sind frei. Wahrscheinlich würde man sich wundern. Was denkt jetzt wohl jene gut aussehende Frau Arndt aus der Nachbarschaft vor mir. Anfang 40 schätze ich mal. Die ist Hausfrau, weiß ich. Ein Grundschulkind – männlich. Mann hat ein Autohaus der Marke M. Der silberne M-SUV  steht in der Garageneinfahrt. Sie ist nur mit dem SUV unterwegs: Kind zur Schule bringen und abholen, zum Einkaufen, den Kleinen bei Freunden abliefern, montags und donnerstags Fitness-Studio, zum Tee bei Freundin X, zum Spielplatz kurven, Laufen kommt gar nicht in Frage. Hornhaut an den Füßen Fehlanzeige. Was da an Diesel wohl täglich reinläuft? Irgendwie ein tolles Leben. Nur schön sein, das Leben genießen, sich mit den Freundinnen zum Latte treffen, sich um den kleinen Prinzen verwöhnend sorgen. Abends dann den Gatten empfangen. Ja dann hat sie wieder ihre Ruhe bis zum Wochenende. Da fällt mir ein, die Zugehfrau kommt dreimal in der Woche. Schon interessant, was einem alles so auffällt, wenn man Zeit hat. Früher beim Gassi gehen nur an den vergangenen Arbeitstag gedacht bzw. den nächsten in Gedanken vorbereitet, nachdenklich durch die Gegend gestapft. Hoffentlich macht Stanley bald, dass ich wieder heimkomme. Jetzt genießt man, der Blick schweift. Stanley kackt jetzt vier – statt zwei Mal. Man geht kreativ spazieren. Was spielt sich wohl gerade hinter den Mauern der Villa von Rögels ab? Wo Herr Schmitt so aufgebrezelt hinfährt? Das sieht nach baldiger Scheidung aus, seine Frau habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Banalitäten wechseln sich mit einschneidenden, ernstzunehmenden Beobachtungen ab. Familie Gabriel sollte ihre Hecke zur Straße unbedingt schneiden lassen. Dass, die das nicht sehen. Oh, das Haus von Prof. Funke wird entkernt. Verkauft. Naja, die waren ja beide dement. Schätze, Grundstück in dieser Lage auf zwei bis drei Millionen. Die Erben dürfen sich freuen. Der Herr Anton aus dem Maintal Weg ist ein seltsamer Typ. Seine Mutter unnahbar. Grüßen tun die nie. Lieblingshobby den silbernen Morgan-Oldtimer pflegen und mit dem dunkelgrünen Land-Rover zur Dämmerungszeit auf die Pirsch, hinten dann die offene Kiste für das Wildbret.

Kochkunst

Was koche ich heute Mittag? Danach richtet sich der Einkauf. Spaghetti mit Hackfleischsoße hatten wir erst, das geht zwei Wochen lang gar nicht. Bratwurst auf keinen Fall. Sarah mag nicht so viel Gebratenes. Ich muss unbedingt mein Kochrepertoire vergrößern. Dass sie mir zum Geburtstag Ende August das „Bayerische Kochbuch“ – ein Standardwerk für Hausfrauen und –männer – schenkte, ist als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen. Mal schauen, was hier im Kühlregal zu finden ist. Rindfleisch geschnetzelt. Gulasch jawohl. Das kriege ich hin. Tomatenmark und Zwiebeln habe ich am Wochenende bei N mitgenommen. Dazu Breitbandnudeln. Kartoffeln versuche ich, wenn möglich, zu vermeiden. Schälen, klein schneiden, dann dämpfen oder kochen im Schnellkochtopf, schälen und dabei Finger verbrennen. Reis oder Nudeln sind einfacher. Am besten der pappige Basmatireis. Jetzt verstehe ich Sarah, wenn sie sich ärgerte, als wir immer am Tisch über das Essen die Nase rümpften. Schon wieder Salat. Kocht erst mal selber. Jetzt weiß ich, wie sie das gemeint hat. Am Anfang war es schon stressig, ein tägliches zwei bis dreigängiges Mittagsmenü vorzubereiten. Inzwischen bin ich da gelassener, denn Sarah war es nach acht kulinarischen Wochen  überdrüssig, täglich hochwertige mit Sahne oder Sherry verfeinerte Speisen zu sich zu nehmen. Ich habe reduziert. Suppen sind seit Dezember ein wichtiger Magenfüller. Da ist schon mal, wenn Sarah  zum Mittagessen erscheint, der erste Hunger schnell gestillt. Sie mag meine Suppen, vor allem die Gemüsesuppen. Und das ist nicht schwierig. Der gewiefte Hausmann kocht wöchentlich am besten 5 Liter Gemüse- oder Knochenbrühe, füllt das Ganze in Schraubgläser und schon steht der täglichen Suppe nichts mehr im Wege. Suppenvielfalt gut – Desserts noch ausbaufähig: Schokopudding, Vanillepudding, Dr. Ö-Paradiescreme, Joghurt mit Marmelade, Obstteller. Das ist meine Nachtischpalette. Glücklich bin ich, wenn vom Wochenende noch Kuchen da ist, dann gibt es nämlich selbigen mit Kaffee oder Caro-Kaffee mit Keksen als Nachtisch.

Tagespläne

Ich hatte mir vorgenommen, Musik zu hören. Alle CDs, die ich seit den frühen Neunziger Jahren erstanden hatte, wieder mal rauszukramen, sich mit  Asterix-Comics und einer Tafel Schokolade auf dem Wohnzimmersofa gemütlich einzurichten und die Seele baumeln zu lassen.  Die SD-Karte meines Handys ist randvoll mit mp3-Dateien, wie bei jedem. Aber ich kam nie dazu in Ruhe Musik zu hören. Jetzt also in Pension Musikgenuss pur in Sicht. Vielleicht sollte ich die unzähligen CDs erst mal wieder ordnen. Gute Idee – wieder über mehrere Stunden beschäftigt. Dabei sich wieder in Gedanken verlieren, zu welcher Zeit, in welcher Stimmung, aus welchem Grund, man sich die Scheibe zugelegt hat. Klar sind noch viele dabei, die den Preisaufkleber auf der CD-Cover-Rückseite tragen. Eben die Zeit vor Amazon. Smartphones gab es nicht. Mit dem Smartphone ist auch der schöne Brauch sich an der Gestaltung des Plattencovers oder die Songtexte mitzulesen ausgestorben. Das Musikerlebnis war früher intensiver, am intensivsten vielleicht in der Vinyl-Zeit. Musikhören wurde zelebriert. Eine volle zwei Quadratmeter große CD-Fläche breitet sich vor mir aus. Im Schrank warten weitere unzählige Stapel auf eine Sortierung. Ich lasse es sein – irgendwann ja. Bald 11. Zeit allmählich mit der Vorbereitung des Mittagessens zu beginnen. Schon bewundernswert wie Sarah das immer so pünktlich hinbekommen hat. In der Kürze eines zwanzig bis dreißigminütigen Zeitkorridors. Momentan brauch ich dafür gut zweieinhalb Stunden. Übung wird den Meister machen.

Gitarre wollte ich auch mehr spielen. Komponieren, Musik aufnehmen, all das, was während des Arbeitslebens liegen blieb. Die kreativen Einfälle, die ich hatte, endlich verwirklichen. Stundenlang. Tägliches Songtitel Tüfteln. Irgendwie kann ich mich nicht so richtig aufraffen. Ich spiele weniger als je zuvor. Wo ist der Elan geblieben? Ich verschiebe es immer auf den nächsten Tag. Morgen wirst du…. Man wird bequem, gerade, weil man so viel Zeit zur Verfügung hat. Es gibt jetzt gewisse Rituale, die wichtig sind. Das späte Aufstehen im Zeitfenster von 6.45 bis 7.45 Uhr. Früher hat der Wecker um 5.30 Uhr die Nacht beendet. Erster Akt nach der Körperpflege Stanley ausführen und füttern.  Das dauert nicht lang, da Stanley am Morgen nicht lange fackelt, damit er sich möglichst schnell in seinem Zwinger die Wampe vollschlagen lassen kann. Sarah hat in der Zwischenzeit für das Frühstück gesorgt. Ausgiebiges Frühstück mit Studium der Tageszeitung bis ca. 9 Uhr. Auf dem WC Handycheck. Dann Computer anwerfen. Einkauf mit Hund, eventuell mit Innenstadtbesuch. Vorbereitung des Mittagessens. Nach dem Mittagessen den Hund gut bewegen bis er im Minimum sich zweimal gelöst hat, dabei Scannen des Weges und der Gebäude im Viertel auf Berichtens werte Veränderungen personaler oder baulicher Art, die ich Sarah meist am Morgen mitzuteilen pflege. Allmählich freut man sich nun auf die Abendgestaltung. Nochmals Computer anwerfen. Youtube, Facebook, Musikforen, Ebay durchforsten. Endlich Abendbrotteller richten mit riesiger Schwarztee-Tasse. Fernsehkiste an. Quizshow im Ersten, dann Krimiserie vom Nachmittag anschauen. Danach ist mir alles egal, denn Sarah übernimmt die Fernbedienung und damit die Fernsehregie. Ihre Frage, was willst du schauen, ist eigentlich nicht ernst gemeint. Bei Gesundheits- oder Liebesdramen schon ein kurzes Nickerchen. Später dann die Bettlektüre – ein absolutes Muss.

Jetzt vergeht die Zeit irgendwie viel schneller als früher. Montag bis Freitag vollzog sich oft so langsam. Ein wahrer Marathon bis zum Freitagabend. Sarah freut sich natürlich, dass sie küchenmäßig unter der Woche entlastet ist. Und mich beschäftigt es am Vormittag. Je länger ich jetzt im Unruhestand bin, desto professioneller und vorausschauender arbeite ich. Ich koche solche Mengen, dass wir  zweimal davon zehren können. Das spart Energie, Ressourcen und Zeit. Nachdem Sarah das auch begrüßt, bin ich mehr und mehr entlastet. Nur Stanley wundert sich darüber, dass kaum mehr Essensreste in seinem Fressnapf landen.

Ich muss schreiben….

Sarah, ich fange jetzt zu schreiben an, konfrontiere ich sie Ende Januar! Was willst du denn schreiben? Einen Roman. Wie? Du? Willst du mir die Kreativität, das Schreibtalent absprechen. Ich schrieb bislang alles aus dem Stegreif, wenn es um Familienfeste, Einladungen, Urlaubspostkarten, Geburtstage, Beileidskarten etc. ging. Nur bei Briefen an meine Schwiegemutter war mein Schreibfluss plötzlich etwas gehemmt. Ansonsten plätschert es förmlich aus dem Füllfederhalter. Schon in der Schule fiel mir mündliches und schriftliches  Fabulieren leicht, auch nicht selten am Thema vorbei. Ob ich wüsste, wie man da vorgeht, wollte Sarah wissen. Ich sei zwar wohl Germane, aber kein richtiger Germanist. Ich  bin gekränkt, beleidigte Leberwurst. Dann fügt sie ihr  „Mache dich erst mal in Google kundig“ hinzu. Kein Wind in den Segeln mehr. Auf Grund gelaufen. Motivation futsch.  Stanley, wir gehen Gassi. Der freut sich und ich kann erst mal meinen Frust beim Laufen loswerden. Vielleicht hat Sarah  ja Recht. Nach drei Haufen kehren wir zurück. Heizung und Computer an, Stanley macht sich´s unter meinem Tisch bequem. Ich liebe es, meine Füße an ihm zu wärmen und er mag anscheinend deren Geruch. Also mal gegoogelt.

Fortsetzung folgt……