Wie versprochen der Kurzkrimi… Teil 1

Conny Martin

„Ich schreibe einen Krimi“

Hinweis:

Alle Personen, Orte und Handlungen in diesem Kurzroman sind fingiert. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Institutionen sind rein zufällig.

Würzburg 2022

Copyright cmartin

Kapitel 1/ Teil 1

Plötzlich Ruheständler

Ich bin Norbert Wasner. Meine Freunde sagen Nobbi zu mir. Im Ruhestand, also einer dieser Weißkopfindianer, die zu allen Tageszeiten die Stadt unsicher machen können und ihre Lebensmittel-Einkäufe prompt dann, so kurz vor Ladenschluss, zu tun gedenken, wenn die arbeitende Schicht nach langem Tagwerk an den Kassen mit den Hufen scharrt. Man kann in den Gesichtern lesen, der hätte mich doch vorlassen können mit seiner Butter und den zwei Joghurt. Jetzt selbst Weißkopfindianer vermeide ich es doch strikt zu diesen abendlichen Stoßzeiten einzukaufen. Freie Tagesplanung, aus und vorbei mit der Arbeiterei, dem Dienst. Endlich Zeit. Tun, was man schon immer tun wollte. Ewige Ferien – bis zum Tod. Seit dem 1. August ist´s so weit. Retired wie der Amerikaner sagt. Erst mal die Sommerurlaubszeit genießen und dann gleitet man gewiss schon etwas assimiliert locker in den verdienten Ruhestand, den Herbst des Lebens. Langweilig wird dir´s ja nicht. Du mit deinen vielen Hobbys, sagen Freunde und Verwandte. Da haben sie nicht Unrecht: Handy, Hund, Kochen, Gitarre, Wandern, Musik, Radfahren, Lesen, gelegentlich 6. Eigentlich Vollbeschäftigung. Daneben die notwendigen Alltagstätigkeiten.  Zu Fuß mit Hund oder E-Bike Besorgungen tätigen. Vor allem Lebensmittel einkaufen. Einen geruhsamen Einkauf genießen. Automatisch ergibt sich eine Rangliste der Supermärkte mit den attraktivsten Kundinnen oder dem gutaussehenden und freundlichem Personal. Darf man das überhaupt noch schreiben bzw. solche Gedanken haben? Naja der Discounter N. um die Ecke steht auf jeden Fall in der Rangliste ganz unten. Anders der Lebensmittelmarkt T. Schon am weitläufigen Parkplatz ersichtlich, dass hier die Reichen und Schönen einkaufen. Schwarzer SUV reiht sich an weißes Cabrio. Gut gestylt steht man an der Kasse. Lässig. Manche allerdings mit ihren quengelnden Rotzlöffeln bestraft, genervt. Das freut mich bisweilen diebisch, wenn die Bälger der Grazien sich so richtig aufführen. Sven-Balthasar gib` jetzt Ruhe. DU hattest schon zwei Müsliriegel. Manch andere in Gedanken versunken oder gelangweilt durch die Räumlichkeit blickend. Wenn man die Gedanken lesen könnte, das wär´ spannend. Von wegen die Gedanken sind frei. Wahrscheinlich würde man sich wundern. Was denkt jetzt wohl jene gut aussehende Frau Arndt aus der Nachbarschaft vor mir. Anfang 40 schätze ich mal. Die ist Hausfrau, weiß ich. Ein Grundschulkind – männlich. Mann hat ein Autohaus der Marke M. Der silberne M-SUV  steht in der Garageneinfahrt. Sie ist nur mit dem SUV unterwegs: Kind zur Schule bringen und abholen, zum Einkaufen, den Kleinen bei Freunden abliefern, montags und donnerstags Fitness-Studio, zum Tee bei Freundin X, zum Spielplatz kurven, Laufen kommt gar nicht in Frage. Hornhaut an den Füßen Fehlanzeige. Was da an Diesel wohl täglich reinläuft? Irgendwie ein tolles Leben. Nur schön sein, das Leben genießen, sich mit den Freundinnen zum Latte treffen, sich um den kleinen Prinzen verwöhnend sorgen. Abends dann den Gatten empfangen. Ja dann hat sie wieder ihre Ruhe bis zum Wochenende. Da fällt mir ein, die Zugehfrau kommt dreimal in der Woche. Schon interessant, was einem alles so auffällt, wenn man Zeit hat. Früher beim Gassi gehen nur an den vergangenen Arbeitstag gedacht bzw. den nächsten in Gedanken vorbereitet, nachdenklich durch die Gegend gestapft. Hoffentlich macht Stanley bald, dass ich wieder heimkomme. Jetzt genießt man, der Blick schweift. Stanley kackt jetzt vier – statt zwei Mal. Man geht kreativ spazieren. Was spielt sich wohl gerade hinter den Mauern der Villa von Rögels ab? Wo Herr Schmitt so aufgebrezelt hinfährt? Das sieht nach baldiger Scheidung aus, seine Frau habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Banalitäten wechseln sich mit einschneidenden, ernstzunehmenden Beobachtungen ab. Familie Gabriel sollte ihre Hecke zur Straße unbedingt schneiden lassen. Dass, die das nicht sehen. Oh, das Haus von Prof. Funke wird entkernt. Verkauft. Naja, die waren ja beide dement. Schätze, Grundstück in dieser Lage auf zwei bis drei Millionen. Die Erben dürfen sich freuen. Der Herr Anton aus dem Maintal Weg ist ein seltsamer Typ. Seine Mutter unnahbar. Grüßen tun die nie. Lieblingshobby den silbernen Morgan-Oldtimer pflegen und mit dem dunkelgrünen Land-Rover zur Dämmerungszeit auf die Pirsch, hinten dann die offene Kiste für das Wildbret.

Kochkunst

Was koche ich heute Mittag? Danach richtet sich der Einkauf. Spaghetti mit Hackfleischsoße hatten wir erst, das geht zwei Wochen lang gar nicht. Bratwurst auf keinen Fall. Sarah mag nicht so viel Gebratenes. Ich muss unbedingt mein Kochrepertoire vergrößern. Dass sie mir zum Geburtstag Ende August das „Bayerische Kochbuch“ – ein Standardwerk für Hausfrauen und –männer – schenkte, ist als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen. Mal schauen, was hier im Kühlregal zu finden ist. Rindfleisch geschnetzelt. Gulasch jawohl. Das kriege ich hin. Tomatenmark und Zwiebeln habe ich am Wochenende bei N mitgenommen. Dazu Breitbandnudeln. Kartoffeln versuche ich, wenn möglich, zu vermeiden. Schälen, klein schneiden, dann dämpfen oder kochen im Schnellkochtopf, schälen und dabei Finger verbrennen. Reis oder Nudeln sind einfacher. Am besten der pappige Basmatireis. Jetzt verstehe ich Sarah, wenn sie sich ärgerte, als wir immer am Tisch über das Essen die Nase rümpften. Schon wieder Salat. Kocht erst mal selber. Jetzt weiß ich, wie sie das gemeint hat. Am Anfang war es schon stressig, ein tägliches zwei bis dreigängiges Mittagsmenü vorzubereiten. Inzwischen bin ich da gelassener, denn Sarah war es nach acht kulinarischen Wochen  überdrüssig, täglich hochwertige mit Sahne oder Sherry verfeinerte Speisen zu sich zu nehmen. Ich habe reduziert. Suppen sind seit Dezember ein wichtiger Magenfüller. Da ist schon mal, wenn Sarah  zum Mittagessen erscheint, der erste Hunger schnell gestillt. Sie mag meine Suppen, vor allem die Gemüsesuppen. Und das ist nicht schwierig. Der gewiefte Hausmann kocht wöchentlich am besten 5 Liter Gemüse- oder Knochenbrühe, füllt das Ganze in Schraubgläser und schon steht der täglichen Suppe nichts mehr im Wege. Suppenvielfalt gut – Desserts noch ausbaufähig: Schokopudding, Vanillepudding, Dr. Ö-Paradiescreme, Joghurt mit Marmelade, Obstteller. Das ist meine Nachtischpalette. Glücklich bin ich, wenn vom Wochenende noch Kuchen da ist, dann gibt es nämlich selbigen mit Kaffee oder Caro-Kaffee mit Keksen als Nachtisch.

Tagespläne

Ich hatte mir vorgenommen, Musik zu hören. Alle CDs, die ich seit den frühen Neunziger Jahren erstanden hatte, wieder mal rauszukramen, sich mit  Asterix-Comics und einer Tafel Schokolade auf dem Wohnzimmersofa gemütlich einzurichten und die Seele baumeln zu lassen.  Die SD-Karte meines Handys ist randvoll mit mp3-Dateien, wie bei jedem. Aber ich kam nie dazu in Ruhe Musik zu hören. Jetzt also in Pension Musikgenuss pur in Sicht. Vielleicht sollte ich die unzähligen CDs erst mal wieder ordnen. Gute Idee – wieder über mehrere Stunden beschäftigt. Dabei sich wieder in Gedanken verlieren, zu welcher Zeit, in welcher Stimmung, aus welchem Grund, man sich die Scheibe zugelegt hat. Klar sind noch viele dabei, die den Preisaufkleber auf der CD-Cover-Rückseite tragen. Eben die Zeit vor Amazon. Smartphones gab es nicht. Mit dem Smartphone ist auch der schöne Brauch sich an der Gestaltung des Plattencovers oder die Songtexte mitzulesen ausgestorben. Das Musikerlebnis war früher intensiver, am intensivsten vielleicht in der Vinyl-Zeit. Musikhören wurde zelebriert. Eine volle zwei Quadratmeter große CD-Fläche breitet sich vor mir aus. Im Schrank warten weitere unzählige Stapel auf eine Sortierung. Ich lasse es sein – irgendwann ja. Bald 11. Zeit allmählich mit der Vorbereitung des Mittagessens zu beginnen. Schon bewundernswert wie Sarah das immer so pünktlich hinbekommen hat. In der Kürze eines zwanzig bis dreißigminütigen Zeitkorridors. Momentan brauch ich dafür gut zweieinhalb Stunden. Übung wird den Meister machen.

Gitarre wollte ich auch mehr spielen. Komponieren, Musik aufnehmen, all das, was während des Arbeitslebens liegen blieb. Die kreativen Einfälle, die ich hatte, endlich verwirklichen. Stundenlang. Tägliches Songtitel Tüfteln. Irgendwie kann ich mich nicht so richtig aufraffen. Ich spiele weniger als je zuvor. Wo ist der Elan geblieben? Ich verschiebe es immer auf den nächsten Tag. Morgen wirst du…. Man wird bequem, gerade, weil man so viel Zeit zur Verfügung hat. Es gibt jetzt gewisse Rituale, die wichtig sind. Das späte Aufstehen im Zeitfenster von 6.45 bis 7.45 Uhr. Früher hat der Wecker um 5.30 Uhr die Nacht beendet. Erster Akt nach der Körperpflege Stanley ausführen und füttern.  Das dauert nicht lang, da Stanley am Morgen nicht lange fackelt, damit er sich möglichst schnell in seinem Zwinger die Wampe vollschlagen lassen kann. Sarah hat in der Zwischenzeit für das Frühstück gesorgt. Ausgiebiges Frühstück mit Studium der Tageszeitung bis ca. 9 Uhr. Auf dem WC Handycheck. Dann Computer anwerfen. Einkauf mit Hund, eventuell mit Innenstadtbesuch. Vorbereitung des Mittagessens. Nach dem Mittagessen den Hund gut bewegen bis er im Minimum sich zweimal gelöst hat, dabei Scannen des Weges und der Gebäude im Viertel auf Berichtens werte Veränderungen personaler oder baulicher Art, die ich Sarah meist am Morgen mitzuteilen pflege. Allmählich freut man sich nun auf die Abendgestaltung. Nochmals Computer anwerfen. Youtube, Facebook, Musikforen, Ebay durchforsten. Endlich Abendbrotteller richten mit riesiger Schwarztee-Tasse. Fernsehkiste an. Quizshow im Ersten, dann Krimiserie vom Nachmittag anschauen. Danach ist mir alles egal, denn Sarah übernimmt die Fernbedienung und damit die Fernsehregie. Ihre Frage, was willst du schauen, ist eigentlich nicht ernst gemeint. Bei Gesundheits- oder Liebesdramen schon ein kurzes Nickerchen. Später dann die Bettlektüre – ein absolutes Muss.

Jetzt vergeht die Zeit irgendwie viel schneller als früher. Montag bis Freitag vollzog sich oft so langsam. Ein wahrer Marathon bis zum Freitagabend. Sarah freut sich natürlich, dass sie küchenmäßig unter der Woche entlastet ist. Und mich beschäftigt es am Vormittag. Je länger ich jetzt im Unruhestand bin, desto professioneller und vorausschauender arbeite ich. Ich koche solche Mengen, dass wir  zweimal davon zehren können. Das spart Energie, Ressourcen und Zeit. Nachdem Sarah das auch begrüßt, bin ich mehr und mehr entlastet. Nur Stanley wundert sich darüber, dass kaum mehr Essensreste in seinem Fressnapf landen.

Ich muss schreiben….

Sarah, ich fange jetzt zu schreiben an, konfrontiere ich sie Ende Januar! Was willst du denn schreiben? Einen Roman. Wie? Du? Willst du mir die Kreativität, das Schreibtalent absprechen. Ich schrieb bislang alles aus dem Stegreif, wenn es um Familienfeste, Einladungen, Urlaubspostkarten, Geburtstage, Beileidskarten etc. ging. Nur bei Briefen an meine Schwiegemutter war mein Schreibfluss plötzlich etwas gehemmt. Ansonsten plätschert es förmlich aus dem Füllfederhalter. Schon in der Schule fiel mir mündliches und schriftliches  Fabulieren leicht, auch nicht selten am Thema vorbei. Ob ich wüsste, wie man da vorgeht, wollte Sarah wissen. Ich sei zwar wohl Germane, aber kein richtiger Germanist. Ich  bin gekränkt, beleidigte Leberwurst. Dann fügt sie ihr  „Mache dich erst mal in Google kundig“ hinzu. Kein Wind in den Segeln mehr. Auf Grund gelaufen. Motivation futsch.  Stanley, wir gehen Gassi. Der freut sich und ich kann erst mal meinen Frust beim Laufen loswerden. Vielleicht hat Sarah  ja Recht. Nach drei Haufen kehren wir zurück. Heizung und Computer an, Stanley macht sich´s unter meinem Tisch bequem. Ich liebe es, meine Füße an ihm zu wärmen und er mag anscheinend deren Geruch. Also mal gegoogelt.

Fortsetzung folgt……

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