Nachbarschaft – was man so alles weiß und hört…
Zurück im Büro meint Naßer, Sarah sei nicht zu trauen. Er glaube nicht an diese heile Ehe. Es käme ihm spanisch vor, auch wie ihre Reaktion damals am Abend des Mordes. Vielleicht sollte doch observiert werden. Die Schwägerin Christine Lang bestätigte, dass Sarah am Tatabend bis ca. 19 Uhr bei ihr gewesen sei. Die Ehe sei gut gewesen. Nur kleine, unbedeutende Streitigkeiten ab und zu. Normal halt. Müller geht ohne Hund im Viertel Gassi. Naßer ist gleichzeitig in den Weinbergen unterwegs. Das war wohl immer der Weg des Mordopfers. Frau Arndt schaut sich Müllers Ausweis genau an, man liest ja so viel. Die würde man nicht von der Bettkante schubsen, denkt sich Müller. Gute, nicht zu üppige Figur, lange Beine und wallendes kastanienbraunes, weit über die Schultern reichendes Haar. Ja, den hätte sie oft gesehen. Der hätte sie anzüglich angeguckt und immer eine Zeit lang vor dem Haus gestanden und rüber geschaut. Dann überquerte er die Straße, erinnert sie sich, und dann hätte jedes Mal der Hund am Betonbriefkastenblock sein Bein gehoben. Glauben Sie mir, das gibt hässliche Flecken. Und zwei Meter lange Urindeltas auf dem Gehsteig. Ihr Mann hätte dann dieses gelb-grüne Pulver verstreut. Seitdem sei Ruhe gewesen. Freundlich gegrüßt hätte er immer. Aber sie nicht zurück. Einmal habe er sogar geklingelt. Sie habe nicht geöffnet und weiß auch nicht, was er gewollt hätte. Vielleicht wegen der reifen Quitten im Vorgarten. Er hatte einen Korb dabei. Sie müsse jetzt ihren Jungen von Familie Wegmüller abholen. Und schon sitzt sie im hochbeinigen Panzer, es dieselt. Kurz notieren.
Frau Wiebelsberg von schräg gegenüber, ca. 80 Jahre, steht an der Mülltonne und mustert Müller neugierig. Sie sind von der Polizei, dass sieht man gleich und schon sprudelt es aus ihr heraus. Müller schämt sich jedes Mal sofort als Polizeibeamter erkannt zu werden. Dabei hat er doch so ein Allerweltsgesicht. Kleidung eher leger. Jeans. Wasner wäre sehr nett gewesen, immer zu einem Späßchen aufgelegt. Sie habe Stanley, den Hund, immer streicheln dürfen. Ein durch und durch feiner Mann. Als Gartenbesitzer hätten sie sich übers Wetter unterhalten. Sei ja schlimm hier in Mainfranken, der fehlende Regen. Er sagte ihr immer voraus, wenn Regen zu erwarten war. und sie die Regentonnen auffüllen konnte. Hilfsbereit also. Montag Nachmittag habe er ihre Mülltonnen immer aufs Grundstück zurückgebracht. Ja, immer hilfsbereit. Im Gegensatz zu manch andern in dieser Straße. Ihr Blick richtet sich zum Nachbarhaus. Sie will weiter ausholen und ob er nicht eine Tasse Kaffee wolle, frisch aufgebrüht. aber Müller will dem Redeschwall ein Ende bereiten und bedankt sich. Geschwätz und üble Nachrede will er nicht notieren. Ein Haus weiter bei Anton macht keiner auf. Der silberne Oldtimer, flankiert von einem grünen Land Rover, steht blank geputzt in der Garage. Das schaumiges Waschwasser schimmert noch unter dem Kanalrost. Der Vorhang im 1. Stock bewegt sich. Müller versucht es noch mal. Komme, klingt es krächzend aus der Gegensprechanlage. Ein untersetzter Mann mit Halbglatze erscheint an dem weiß-lackierten Holztor, das zusammen mit der akkurat gestutzten Ligusterhecke vor neugierigen Blicken auf das Grundstück schützt. Ob er von der Bluttat gelesen oder gehört hätte und den Mann kenne. Ja natürlich, der wäre ja täglich zwei Mal an seinem Haus vorbeigekommen. Er wüsste auch, dass er ganz vorne in der Weinberg Straße wohne. Schrecklich, was da so passiert. Weiß man schon, was? Müller verneint, man sei ja erst am Anfang, aber mitten in der Untersuchung. Irgendwelche Beobachtungen am Tatabend? Anton verneint. Theaterbesuch mit seiner Mutter, Mozarts Zauberflöte, dann Bürgerstube . Schoppen genießen. Herrn Anton fällt ein, dass er gehört hätte, dass das Mordopfer einen Rechtsstreit mit einem Immobilienmakler gehabt hätte. Vielleicht hilft das ja weiter. Müller bedankt sich. Möglicherweise eine Spur.
Kapitel 3
Müller macht sich Notizen über Antons Aussagen. Er will noch mal zu Sarah Wasner. Nachfragen wegen des Rechtstreites. Sarah öffnet errötet die Tür. Neuigkeiten? Müller verneint und bittet eintreten zu dürfen. Sie hätte Besuch. Müller merkt, dass ihr sein unangemeldeter Besuch nicht in den Kram passt. Sarah führt ihn ins Wohnzimmer. Wo ist denn der Besuch? Müller scannt im Gehen die Wohnung ab. Keine Spur. Sie schließt hastig die Tür. Müller nimmt durch die Verglasung eine Gestalt war. Sarah lügt, unser Sohn, mein Sohn sei zur Unterstützung aus Berlin gekommen. Gibt es einen jahrelangen Rechtstreit?, kommt Müller zur Sache. Allerdings. Das Nachbargrundstück unterhalb. Zwei Mehrfamilienhäuser seien geplant. Nehmen uns voll die Sicht auf die Festung Marienberg. Seit vier Jahren gehe das schon hin und her. Permanent würde es Planänderungen geben, die Bauarbeiten schleppend. Äußerst ärgerlich. Ihr Mann habe sich furchtbar aufgeregt. Der Grundstückeigentümer und Immobilienmogul Herr Brandner sei unnachgiebig und trickreich. Viel Geld im Spiel. Brandner zieht viele Fäden in der Stadt. Nur gerichtliche Auseinandersetzungen oder gab es auch schon andersgeartete, will Müller wissen. Naja, es wird Druck ausgeübt, Brandner lässt Unrat auf das Grundstück bringen, zieht alle Register, man werde regelmäßig schikaniert. Wenn es wieder mal ein Stück vorangeht, werfen ihr die Bauarbeiter Anzüglichkeiten an den Kopf. Die hat Brandner entsprechend sensibilisiert und vielleicht auch finanziell mobilisiert. Ist ein Ende in Sicht? Nein, Stellungskrieg. Müller notiert sich die Umstände mit Brandner. Im Flur sieht er einen hoch gewachsenen Mann, der schnell in ein Zimmer huscht. Wohl kaum der Sohn, denkt sich Müller.
Fortsetzung folgt!!!!!