Wie war das eigentlich vor 50 Jahren schön. Im Rückblick sieht man alles ja irgendwie verklärt. Waren die Zeiten besser? Politisch? Wirtschaftlich? Gesellschaftlich? War es ruhiger als 2020, die Leute zufriedener als heute? Bestimmt weniger abgelenkt, auf wenige Dinge fokussiert. Ohne Web und Mobile Phone. Drei Fernsehprogramme und das Würzburger Volksblatt mehr nicht. Wenn ich mal, die Schulzeit, vor allem die gymnasiale weglasse (dazu an anderer Stelle mehr!), habe ich eigentlich nur beste Erinnerungen an diese Zeit. Zumindest als Kind bzw. Jugendlicher.
Mein Wochenplan so von 1971 – 1985: Schule 6 Tage die Woche, ab 1979 dann Uni
Dienstagmorgen 6 Uhr (Marianische Congregation) GCL-Gottesdienst
Mittwoch Hundesport beim SV( Schäferhundverein Gerbrunn/ seltener PSV Waldbüttelbrunn)
Donnerstag Radtour im Auftrag der Metzgerei Martin Bestellungen für das Wochenende einsammeln, vor allem im Heimgarten und Frauenland (Zeitaufwand ca. 2 Stunden)
Freitag MC Gruppenstunde, danach Fußballgebolze auf dem Augustinerhartplatz neben dem Kloster, ideal zum Auspowern bis zum Einbruch der Dunkelheit.
Samstag: Wurst- und Fleischwaren-Lieferdienst
Die Route der samstäglichen Auslieferung war genau ausgeklügelt um möglichst wenig Sprit zu verbrauchen. Getankt wurde damals immer am Berliner Ring bei L. Schürer. Meist am Ende der Ausfahrerei. Da waren samstags so um die Mittagszeit immer die „Würzburger Playboys“ zum Smalltalk mit ihren Cabrios oder schmucken Karossen versammelt.
6.00 Uhr Noch etwas verschlafen den Lieferwagen, ein Hanomag, mit großen Fleischkästen geschickt beladen: was zuerst angefahren wurde, kam logischerweise zum Schluss auf die Ladefläche.
Die erste Runde mit den großen Lieferungen war etwa so: Uni-Klinik Diätküche, Rotkreuzklinik, Kaufhof, Augustinerkloster, Bürgerspital, verschiedene Altenheime wie Annastift in der Theaterstraße, Raphaelsheim am Haugerring, St. Anna (Erlöserschwestern) Balthasar-Neumann-Promenade, …….
Die zweite Tour: Wurstpaketzustellung an Privatkunden : Crevennastraße, Annastraße, Heimgarten,…..
Frau im Negligé
Du klingelst mit der nach Wurst duftenden Tüte an der Haustüre. Samstag, ca. 7.15 Uhr. Hoffentlich sind die Leute schon wach. Ah der Summer ertönt. Du eilst die Treppe hoch. Die Tür geht auf. Der Muff der Nacht zieht in die Nase. „Grüß Gott“ – Dame im Negligé öffnet die Tür, ziemlich verstrubbelt, amouröse Abenteuer undenkbar. Kundin : „Was macht es?“ „18,50 DM“. „20 DM“. „Stimmt so!“ „Wiedersehen, schönen Sonntag!“ Fünf Treppen auf einmal genommen ging´s wieder zur Haustür.
Im Frauenland: Frau B., Frau E. und Frau Sch.
Die nächste Tour Frauenland, Trautenauer Straße. Frau B. immer äußerst spendabel. Bei Familie Sch. duftet es immer nach frisch gekochter Suppenbrühe mit Maggikraut. Frau E. im Nebenhaus war geizig bis dorthinaus, Aufgehenlassen für ein wenig Trinkgeld kam bei ihr nie in die Tüte: „Da haste 15.- Mark, den Rest zahle ich dann nächste Woche.“ Andere, vor allem die alten Leute im Heimgarten, die Eisenbahner, waren freigiebig. Auf dem Heimweg ging es dann noch mal durch die Barbarastraße. Da war ein kleiner Tante Emma-Laden mit richtig großen Weck mit Kümmel. Lecker. So was gibt´s heute kaum mehr. Entweder aßen mein Vater und ich jeder einen trockenen Kipf, tranken dazu eiskaltes Cola oder aßen im Sommer Eis. Dann ging die Fahrt wieder zurück zur Semmelstraße und danach zu den “Außenposten“ ins Steinbachtal zum Kloster „Sankt Bruno“ und dann wieder zu einigen Privatkunden den steilen Berg hinauf Richtung Frankenwarte und zurück über einige Stationen in der Zellerau.
Anschließend Endstation Semmelstraße. Es sei denn, wir hatten ein Päckchen vergessen oder es wurde nachbestellt. Entweder aß ich dann ein Fleischsalat- oder Leberkäsbrötchen. Meistens fuhr ich dann hoch zur Sieboldshöhe und habe die Wohnung aufräumen, saugen und bohnern dürfen. Ab 12.45 Uhr hieß es dann Ladendienst anfangen. Also, allmählich damit beginnen das Fleisch aus dem Laden wieder in die Kühlräume zu bringen. Selbiges galt für die gesamte Wurst aus der Theke. Alles wurde fein säuberlich in Mulden gelegt und zurückgetragen. Ärgerlich war, wenn dann noch ein Kunde zum Hintereingang im Hof hereinschneite und bestimmte Dinge wieder geholt werden mussten. Nun den Stock kratzen, das heißt mit einer Drahtbürste die Hackstöcke kratzen bis keine Spuren von Blut etc. zu sehen sind- also de facto bis der Hackstock wieder jungfräulich aussah.
Jetzt drängte sich die ganze Belegschaft um den kleinen Tisch im Ladenzimmer zu einem vielleicht 15-minütigen Kaffeeklatsch. Da gab es meistens süße Teile zu essen. Also heute würde man sagen Teambesprechung auf engstem Raum mit Chefin und Chef. Meine Eltern waren damals ihrer Zeit weit voraus. Nun ging es rund: Putzen, die Scheiben der Theke herausheben und mit Glasreiniger säubern, der ganze Laden wurde unter Wasser gesetzt, es wurde picobello jede Ecke akribisch gereinigt. Ich hatte Dienst am Schieber und musste das ganze Wasser nach draußen in den Einfahrtshof befördern. Heißes Wasser wurde aus den Kesseln in der Wurstküche herbeigeschleppt und der ganze Hof ausgeschwemmt und mit dem Schieber abgezogen. Der letzte Akt war dann der Gehsteig vor dem Geschäft. Feierabend sollte man meinen. Aber dann schloss sich noch der Fahrdienst für das Personal an, das hieß eine oder zwei der Grazien wurden nach Hause in ihre Dörfer gefahren. Eine Tour ging zum Beispiel nach Untersambach bei Wiesentheid. Im Schnitt war es dann etwa 16 Uhr. Meist bin ich dann mit den Hunden zum Schäferhundeverein nach Gerbrunn zum Trainieren. Nach der Übungsstunde, habe später selbst figuriert (Hundesportler wissen, was damit gemeint ist), gab´s im Vereinsheim leckere Bratwürste.
War eine wunderschöne Zeit. Jeden Mittwoch und Samstag war Übungsbetrieb. Obwohl ich ja keinen Deutschen Schäferhund besaß, sondern Riesenschnauzer hatte, war ich voll im Verein integriert.
Fortsetzungen folgen: Verbreitung von Unruhe im Siebold-Gymnasium oder der jüngste Vorsitzende des Pinscher-Schnauzer-Klub 1995 e.V. lädt zu Versammlungen in den „Deutschen Garten“ (heute ist da der Zauberberg beheimatet!) ein.
Gemsu so war es. Woche für Woche. Mir geht es so wie dir. Heute erinnere ich mich sehr gerne an diese Zeit und bin sogar dankbar für all die Begegnungen, Erinnerungen und die gemeinsamen Stunden mit meinem Papa auf Tour. Deine Regina
Hallo Regina,
ich habe vorgestern SW-Fotos unserer Familie aus den 30er Jahren entdeckt. Bei einigen bin ich unsicher, wer darauf zu sehen ist. Auf messenger schicke ich dir mal etwas.
Lieben Gruß
Conny
Aufgewachsen in einer Metzgerei – ein Gastbeitrag
Als Außenstehender kann man sich kaum vorstellen, was es so manchmal bedeutet, in einer Metzgerei aufgewachsen zu sein. In den meisten Situationen hat das Geschäft immer den Vorrang, sei es , dass man in den Sommerferien nicht mit den Eltern in den Urlaub gefahren ist (Zitat: „…da nimmt doch das Personal Urlaub und euch schicken wir einfach mit) oder, dass Sohn am Samstag zum sogenannten Ladendienst verpflichtet wurde.
Einige dieser geschätsbedingten Dinge will ich hier kurz erläutern:
Ladendienst: Der Ladendienst begann jeden Samstag um 12 Uhr, da hieß es dann in der Metzgerei antreten. Man zog einen weißen Metzgerkittel an, holte aus der Wurstküche diverse Kisten zum Verpacken der Wurst aus der Wursttheke und schleppte diese Kisten und das Fleisch dann mit Geschätftschluss in das Kühlhaus. Danach wurde der Hackstock mit einer speziellen Drahtbürste gereinigt (sogenanntes Stockkratzen). Zwischenzeitlich reinigten die Verkäuferinnun die Theke und die darin befindlichen Platten. Der Boden des Ladens wurde nach einer ersten Grobreinigung (Kehren) mit heißem Wasser geschruppt und dann trocken gewischt. Zum Abschluss wurde der Eingangsbereich (Gehweg) der Metzgerei mit Wasser gereinigt und mit einem Abzieher trocken gezogen.
Ein Teil der meist aus dem näheren Umland stammenden Verkäuferinnen wurden anschließend zunächst von meinem Vater, später von den Söhnen mangels ÖPNV nach Hause chauffiert (bis zu 100 km Gesamtstrecke). Das Ganze endete gegen 16 Uhr.
Sonstige Metzgerei bedingten Tätigkeiten
Es war auch üblich, dass wir als Kinder so manche Tätigkeiten, die in einer Metzgerei anfallen, erledigen durften oder mußten. Dazu zählt das Anstreichen von Gelbwurst (ursprünglich weiß wie eine Weißwurst) mit gelber Lebensmittelfarbe und was besonders beliebt war, die Herstellung von damals sehr gerne gekauften Schaschlikspießen (… ein Stücken Rindfleisch, ein Stückchen Schweinefleisch, etwas Leber, ein Stückchen Niere…).
Auf der Beliebtheitsskala ganz oben war das mühsame Enthäuten von Pistazien, die kleingehackt in diversen Wurstsorten zu finden sind. Dazu wurden die billigen ungehäuteten Pistazien kurz mit heißem Wasser überbrüht, in einem Tuch feste gerubbelt und dann die braunen Häutchen entfernt. Dass man auch ab und zu einige dieser grünen Kerne essen durfte, war kein Belohnung für diese Schufterei.
Samstags durften wir dann immer bei der Auslieferung der diversen Wurst- und Fleischbestellungen helfen.
Verfügbarkeit eines Kastenwagens
Wie schon von meinem Bruder vermerkt, hatten wir in der Metzgerei einen Lieferwagen, mit welchem die Rohware aus dem Schlachthof abgeholt und die Endware (Wurst) ausgeliefert wurde. Von Conny wurde dieses Fahrzeug zum Transport der Verstärker und Musilkinstrumente benutzt. Eine weitere Nutzung bestand darin, für Bekannte diverse Umzüge durchzuführen, wobei das Schleppen der entsprechenden Kisten und Möbel als kostenloser Service mitimbegriffen war. Ein weitere Nutzung war der Abtransport von beim Sperrmüll ausgewählten Schränken oder sonstigen Möbelstücken, was meistens mit einem Anruf „hallo Schorsch, kannst Du Dir mal den Kastenwagen ausleihen, wir hätten da….“ begann. Die Reingung des Fahrzeugs nach solchen Aktionen war zwingend notwendig
Gruss Schorsch
Danke für deinen Beitrag Schorsch! 🙂