Gary Moore – Essay 2. Teil

Gary Moore – Blues For Greeny

Wie man aus Bernie Marsdens sehr lesenswerter Biografie „Where Is My Guitar“ (BM  S. 236) erfährt, nahm der Whitesnake Gitarrist sein Peter Green Tribute  „Green and Blues” bereits 1994 in den Londoner Battery Studios  auf. Bei einigen Tracks griff er auf die Horn Sektion der Midnight Blues Band zurück. Die Bläser berichteten darauf Gary Moore bei der nächsten Bandprobe von der Studiosession. Gary buchte kurzerhand die Sam West Studios und nahm sein überaus erfolgreiches Album „Blues For Greeny“ auf. Bernie Marsden schreibt in seiner Biografie:“ I held back the release of my record, it would have looked like I was jumping in Gary´s wagon, but the truth was in fact the opposite.” (BM S. 237) . Marsden veröffentlichte seine hörenswerte Hommage an Peter Green und John Mayall erst 2001, also sechs Jahre später. Eigentlich könnte man meinen, dass Bernie nach diesem Ideenklau von Gary völlig „angepisst“ war. Scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein, denn 1997 lädt Bernie Gary ein auf dem Hell Blues Festival in Norwegen mitzujammen. Gary hatte  bereits am Freitag gespielt, blieb aber dann auf Bitten Marsdens einen Tag länger und stand abends als Special Guest mit Bernie Marsden auf der Bühne. Im Übrigen spielte Gary Moore auf der Hochzeit Bernie Marsdens.

Im Vergleich zu Bernie Marsdens “Green and Blues” ist Moores Tribute authentischer und soundmäßig näher am Original. Kein Wunder spielt er doch fast ausschließlich Peter Greens Les Paul mit dem Out Of Phase – Sound. Der Gitarrensound ist auf „Love That Burnes“, „If You Be My Baby” und besonders bei “Merry Go Round” so staubig trocken, dass es eine wahre Freude ist.  Hingegen bei „I Loved Another Woman“ oder „Supernaturel“ ist der Green typische großem Hall zu hören. Meiner Meinung zählt dieses Album, auch wenn es sich um bloßes Covern handelt, zu dem besten, was Gary eingespielt hat. Auf der remasterten CD sind noch einige akustische Nummern mit kleiner Parlor-Gitarre zu hören. Diese Bonustracks mit Gesang und Gitarre haben den Charme früher Bluestage.

Promotet wurde das Album mit tollen Liveauftritten beispielsweise in Montreux oder durch den Auftritt im Shepherds Bush Empire, London. Von der Bildqualität zwar weniger gut, aber soundmäßig prima. Wundert mich, dass dieses Konzert nie auf DVD erschienen ist. Hier kann man auch die Amp-Backline bestehend aus Fender und Marshall Amps erkennen.

Am Ende des Konzerts, mit einigen Moores Wortbeiträgen dazwischen, kommt Peter Green kurz auf die Bühne. Ein bewegender Moment nicht nur für Gary Moore. Lohnt sich anzuschauen. Wer hat Gary Moore schon mal mit einem Orchester gesehen? Hier bei einem Stück möglich!! Echt!

Zwischenfrage: Wer hat denn alles so auf Gary Moore-Platten zum Gesangsmikro gegriffen?

Phil Lynott, Ozzy Osbourne, Glenn Hughes (u.a. Deep Purple, Joe Bonamassa), Jack Bruce, Neil Carter

George Harrison, BB King, Albert Collins, Albert King, Noddy Holder (Slade) Backing Vocals auf “Shapes of Things”, Cassie Taylor, Billy Cox, Sam Brown, Chyna Gordon, Dee Lewis, Carol Kenyon, Linda Taylor,….

Mick Jagger und Gary Moore hatten einen gemeinsamen Auftritt, auch  Roger Daltrey und Gary Moore

Wiederentdeckt habe ich Gary Moore mit dem Album „Power OF The Blues“ 2004. Dieses meiner Meinung vom Sound her absolut empfehlenswerte Album brachte mich seiner Musik wieder näher: „I Can´t Quit You Baby“ – Marshall Sound pur oder das schmissige „Can´t Find My Baby“. Die Alben nach „Blues For Greeny“ kannte ich außer „Back To The Blues“ überhaupt nicht mehr. Versäumt hatte ich auf diese Weise „Dark Days In Paradise“ (1997) und „A Different Beat“ (1999). Mit „A Different Beat“ tue ich mir immer noch schwer, wobei mir „Surrender“ sehr gut gefällt. Für viel besser halte ich „Dark Days In Paradise“. Wunderschöne Melodien und autobiografische Texte, Sounds und Harmonien, die an die Fab Four („Where Did We Go“ „One Fine Day“(indisch angehaucht)) oder Oasis („One Good Reason“) erinnern. Der Text des fast achtzehnminütigen „Business As Usual“ lässt tief blicken: sein Leben mit Höhen und Tiefen im autobiografischen Rückblick:

“Business As Usual”
The pink crucifix with the ivory Jesus I wanted
The man with the blood on his hands as I ran from the river
Kissing my cousin, before they took her to the graveyard
Trembling at night from the violence I heard from my bedroom

These are my memories
These are my memories, coming home

Called up at school `cause my hand wasn`t there to say “present”
Running the gauntlet outside the Club Rado at dawn
Rory and me without a spare string between us
Catching the last bus halfway through “I`m so glad”

These are my memories
These are my memories, coming home

Philip and me and “the brush” riding round in a transit
The Bailey, the Strangley`s, the smoke and the speed and the acid
I lost my virginity to a Tipperary woman
A heart that was broken, but it wasn`t the first or the last time

These are my memories
These are my memories, coming home

Under the wings of the man they called Green, I found freedom
Three children, one wife, a twist of the knife and a scandal
Divorce, separation, some kind of salvation came lately
So many have gone, but I know it`s just business as usual

These are my memories….

Absolut kreativ ist, und da zeigt sich sein Genie, dass  am Ende des Songs der eigentliche Titeltrack „Dark Days In Paradise“ ein Paradoxon – als Hidden Track angehängt ist. Als eigenständiger Titel erscheint er nur auf der digital remasterten Neuauflage. Auf der Originalcd von 1997 ist das Stück 18 Minuten lang und zwischen Business und Dark Days wird eine stille  Phase von fast einer Minute eingelegt. Danach folgt das gewollt schwülstige „Dark Days In Paradise“, karibisch-mexikanische Soundwelt, Steelpans erklingen, spanische Gitarrenlinien, Trompete und „schleimiger“ Gesang. Genialer Kontrapunkt, auch harmonisch gesehen, zu „Business As Usual“

Jedes Stück auf „Dark Days In Paradise“ ist  vielschichtig und soundmäßig voller Überraschungen: schöne Chöre, wunderbare Melodien, Gitarrensoloparts zum Beispiel auf „Like Angels“. Oder der Bonustrack „There Must Be A Way“ – ein  Reggae mit schönen Gitarren-Chorus Effekten.

Meiner Meinung nach ist dieses Album Garys Geniestreich, ein Meisterwerk, das leider wenig kommerziellen Erfolg hatte. Die ewigen Kritiker sollten diesem grandiosen Album einmal eine Chance geben. Gary Moore ist nicht nur auf Hard Rock und Blues Rock zu reduzieren. Es lohnt sich.

1997 war Gary Moore mit der Studioband  Guy Pratt (drums), Magnus Fiennes (keys) und Gary Husband (drums) und dem Album „Dark Days“ auf Promotion-Tour. Sehenswert hier die Montreux DVD von 1997. Man sah allen die Freude am Zusammenspiel an. Schade, dass kein weiteres Album in dieser Besetzung  zustande kam. Im Folgenden ein Konzertmitschnitt aus “Ohne Filter” (SWR) moderiert von Uwe Ochsenknecht!

2001 „Back To The Blues“

Habe mir damals die Scheibe gekauft, konnte mit ihr aber nicht viel anfangen. Sie lag dann ewig im Regal. Woran lag es? Am Sound ? Am Gesang? Keine neue Auflage von „Still Got The Blues“ oder „After Hours“, die ich vielleicht bei der Coverrückseite erwartet hätte: Hotelzimmer-Ambiente, schwarze Sitzgarnitur, Gary im Beatles-Anzug mit Pilzkopf-Frisur und roter ES-Gitarre, glänzend polierte Stiefeletten, dazu ein Apple-Computer neben einem digitalen Festplattenrekorder von Boss und ein roter Line 6 POD. Wie damals 1991, steht ein Marshall Bluesbreaker im Zimmer. Neben Gary sind auf diesem Album seine langjährigen Mitmusiker zu finden: Pete Rees (Bass), Vic Martin (Keys),. Schlagzeug spielt der hinlänglich bekannte Darrin Mooney. Auf „You Upset Me Baby“ ist eine kleine Hornsektion zu hören: Nick Payn (Baritone Sax), Martin Drover (Trompete), Frank Mead (Sax) und Nick Pentelow (Tenor Sax) waren schon auf „Still Got The Blues“ dabei und fester Bestandteil der „Midnight Bleus Band“. Das Cover von „Stormy Monday“ gefällt mir vom Gitarrensound nur wenig. Zudem hätte ich mir solomäßig weniger erwartet, nämlich ruhige oder leise Passagen, weniger verzerrt, so wie auf dem Scars-Album oder wie später auf „Close As You Get“. Die Stratocaster klingt irgendwie „fizzy“ , wie man in Amerika den Sound beschreibt. Und nicht nur bei diesem Stück.

Das, mit Abstand, beste Stücke ist  das über neunminütige „Drowning In Tears“, vom Text her äußerst melancholisch, fast schon depressiv zu nennen : „Feel like I am drowning in tears…“

Garys musikalischer Background wird hier eindeutig ersichtlich: Peter Green. Gitarre mit großem Hall, sehr räumlich. Die Begleitung der Rhythmus-Sektion kennt man von Peter Green, ein langsamer Rumba-Rhythmus. Der Gesang leidend, das Gitarrenmotiv wie von einer singenden „Säge“ gespielt, baut Gary eine emotionale Spannung und Stimmung auf, die im Solo ihren „Climax“, ja orgastischen Höhepunkt erreicht, wenn die Töne ins Feedback kippen. Hypnotisierende Wirkung. Der Verstärker muss voll „aufgelatzt“ gewesen sein, denn Herr Moore lässt fast  durchgehend ohne Plektrum-Anschlag, die Finger über´s Griffbrett gleiten und die Töne klingen. „Drowning In Tears“ – ein Meisterwerk.

Scars  (2002)– auf den Spuren von Jimi Hendrix und Steve Ray Vaughn

Ein kraftvolles Album im Triosound. Am Schlagzeug Darrin Mooney, der mit Sicherheit zu Garys Lieblingsschlagzeugern gehörte. Er spielte auf dem Hendrix-Tribute-Konzert von 2007 Schlagzeug (CD „Blues For Jimi“ 2012). Bass spielte Cass Lewis von Skunk Anansie. Ein hochenergetisches Triumvirat.

Auf dem Album sind vor allem tolle Stratocaster Sounds zu hören. „My Baby She´s Good To Me“ könnte von Steve Ray Vaughn stammen: cooler relaxter Rhythmus. Absolut locker vintagemäßiges Solo hier, nur leicht angezerrt mit viel Headroom. Glaub´ Henrick Freischlader hat sich das Album auch öfters angehört. Alle Songs der Scheibe sind übrigens von Gary Moore geschrieben

oder im Verbund mit Mooney und Lewis. Herausragend sind vom Feeling her die Soloparts, in dem an sich ruhigen Stück „Who Knows ( What Tomorrow  May Bring?)”, ab 3:12 und das zweite Solo ab 5:30. Welche` eine Dynamik, das Volumenpoti zurückgedreht, perlende Gitarre – pur mit schönem Hall. Man meint, er steht neben einem. Unglaublich. Muss man gehört haben. Die  Band ging dann auf große Tour mit Whitesnake (Live CD und DVD – Monsters of Rock)

Phil Lynott – Tribute: „One Night In Dublin”

Ein erstklassiges Konzert diese Nacht in Dublin. Ich glaube die Organisation dieses Konzerts hat ihm viele Nerven gekostet. Die beiden anderen Gitarristen Scott Gorham und besonders Brian Robertson verblassen allerdings neben Gary zu Statisten. Am besten kommt, da urwüchsig, noch Eric Bell. Am Bass übrigens Jonathan Noyce ( Jethro Tull) und Ex-Thin Lizzy Brian Downey. Gary ist an diesem Abend in absoluter Höchstform. Wann hatte er eigentlich diese Handverletzung, die dazu führte, dass Tourneen abgesagt wurden und er letztlich „Greeny“ verkaufen musste, da er die Versicherungssumme nicht mehr zahlen konnte?

Old New Ballads Blues

2006 erschienen hat er hier zwei Nummern aus der  „Still Got The Blues“- Zeit nochmals in einem viel mäßigeren Tempo aufgenommen: Midnight Blues und All Your Love. Seine Begleitband auf der Platte sind wieder alte Bekannte mit einer Ausnahme: Jonathan Noyce (Jethro Tull u.v.a.) am Bass war auch bei Moores letzten Konzerten 2010 dabei. Das weitere Line Up besteht aus Darrin Mooney (Schlagzeug) und Langzeitgefährte Don Airey (Keys). Mit dabei ist bei zwei Stücken auch die Horn Sektion der „Midnight Blues Band“. „You Know My Love“ mit schönem Bläserarrangement und ausgedehntes Solo mit charaktervollem Les Paul – Marshall-Sound. Ich würde sagen bis auf die Bläser live im Studio mitgeschnitten.

Bei „Reason To Cry“ sind Pete Rees (Bass), Graham Walker (Drums) und Vic Martin (Keys) zu hören. Fast schon poppig kommt Gary Moore in „Ain´t Nobody“ daher. Eine wunderschöne Nummer ist das ruhige “Flesh & Blood”, dessen nur  etwa 25 Sekunden langes Solo die vollendete Tonformung Moores zeigt.  Für alle, die den typischen Telecaster – Sound lieben, werden mit

dem getragenen „No Reason To Cry“ beschenkt. Telecaster pur für 9 Minuten. Mit der Tele ist auch das Instrumentale „Cut It Out“ gespielt.

Literatur- und Quellenverzeichnis

Gitarre & Bass Special „Gary Moore“ (Interviews, Workshops, Features), März 2011

Harry Shapiro Gary Moore “I can´t Wait Until Tomorrow” – The Official Biography, London 2017

Rich Maloof Jim Marshall – The Father Of Loud, San Francisco 2004

Bernie Marsden Where´s My Guitar? England 2017
Vic DaPra Burstbelievers IV,Anaheim 2018

Guitarist Magazine Issue 340, April 2011

Gary Moore – 3. Teil folgt!

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