Also früher, in den 60 er Jahren, durften wir als Kinder nie krank sein. Der Grund dafür war, dass man in der Schule wichtigen Unterrichtsstoff versäumen würde. Ihr könnt euch vorstellen, es war jedes Mal nicht leicht, wenn es einem richtig dreckig ging und man in die Schule musste. Meine Mutter Hannelore war hier äußerst hartnäckig. Sie war als Schülerin so pflichtbewusst und schleppte selbst bei Luftangriffen immer ihre Hefte mit in den Luftschutzkeller. Wenn es also begann, dass man krank wurde, das heißt die ersten Symptome wie Kopfschmerzen, Husten, Schnupfen und Fieber tauchten auf, wurde sofort mütterlicherseits das Arsenal der Geheimwaffen geöffnet: erste Maßnahme Fieber rektal messen, zweitens ein heißes Bad in der Badewanne, drittens mit Schalfanzug, Bademantel, Wollstrümpfen und Wolldecken (oder alternativ Wadenwickel) ab ins Federbett zur Schwitzkur. Dazu tröstende Worte: „Wirst sehen, es geht dir gleich besser. Morgen kannste wieder in die Schul´!“ Dann noch ein paar Schluck` Klosterfrau Melissengeist bzw. der damit getränkte Waschfleck auf die Stirn (die Allzweckwaffe!), mit Wick Vaporub-Salbe die Brust gut einreiben und abends vor dem Schlaf, den Kranken noch mit Wickmedinait sedieren. Der Bub schläft sich gesund. Nach dieser Rosskur ging es einem tatsächlich am nächsten Tag etwas besser. Ab in die Schule. Zähne zusammenbeißen, sonst wurde man als „Markusbruder“ (also einer, der Krankheit simuliert) tituliert.
Also eigentlich gab es krank sein bei uns nicht. Da war man hart. Einmal allerdings, war Schluss mit dem „Markusbruder“. Es war so um 1968 herum. Es lag Schnee, also echter Winter in Würzburg, Ich bekam die Mumps und hatte plötzlich wahnsinnige Kopfschmerzen und hohes Fieber. Dr. Krug, unser Hausarzt kam vorbei. Diagnose: Meningitis, also Hirnhautentzündung. Sofort wurde ich von meinen Eltern in die Rotkreuzklinik in der Henlestraße gebracht. Es war für mich als Kind furchtbar: im selben Zimmer mehrere ältere Jugendliche, mir ging es dreckig, vier Wochen Quarantänezeit (Besuch schaute zu einem Fensterausschnitt in der Tür rein), das Personal wenig freundlich und zu allem Übel kletterten nachts Kakerlaken aus einem Kanalgitter im Zimmer. Dazu diese regelmäßigen Punktierungen. Zum Glück wurde nach etwa zwei Wochen oder so auch Erich, mein Cousin, eingeliefert. Das war schön. Jetzt bastelten wir zusammen Faller-Doppeldecker und andere Flugzeuge.
Zur Geschichte des Hauses: 1928 vom bekannten Kirchenarchitekten Prof. Albert Boßlet als Säuglingsheim erbaut, im Krieg zerstört, dann nach alten Plänen wieder hergestellt und zur Rotkreuz Kinderklinik ausgebaut, nach längerem Leerstand in den achtziger Jahren zwischenzeitig von jungen Leuten besetzt, wurde es schließlich wieder vom BRK-Kreisverband Würzburg übernommen und 1992 als „Seniorenzentrum Frauenland“ eröffnet. (WiKI Würzburg)
Noch ein paar kleine Kliniken: Martha-Haus und Köster-Klinik. Wer kennt diese noch?
Martha-Haus in der Sanderau. Köster-Klinik in der Mergentheimer Straße.
Beides Entbindungskliniken. Danke für den Kommentar! Frohe Ostern!
Im Martha Haus habe ich 1979 entbunden