Unserer hieß Dr. Barczay und war ungarischer Abstammung. Seine moderne, neu eingerichtete Praxis war seit etwa 1968 ? unweit der Lindleinsmühle in einem vielleicht dreistöckigen Mehrfamilienhaus mit Geschäften im Erdgeschoss. Auftretende Zahnschmerzen, ob der vielen Süßigkeiten, die es zu vertilgen galt, versuchte ich durch Unterdrückung selbiger zu kurieren. Der temperamentvolle Dr. Barczay tat sich bei meiner Behandlung jedes Mal recht schwer und war nicht selten einem Nervenzusammenbruch nah, wenn ich mich während der Behandlung in zwei Richtungen bewegte: a) auf dem Behandlungsstuhl entweder zu ihm hinzustreben oder b) mich mit aller Gewalt in die Polsterung des Stuhls zu versenken um Abstand vom rotierenden Bohrer zu gewinnen.
Der Zahn tobt!
Der schönste Moment jedes Zahnarztbesuches ist doch immer, wenn hinter einem die Haustür ins Schloss fällt. Erhebender Augenblick des Glücks. Schön, wenn man nicht hin muss. Manchmal war der peinigende Schmerz aber nicht mehr auszuhalten. Mutter vereinbarte wieder einen Termin und meinte: „Fährst halt mit dem Rädle nüber.“ Also auf´s Rädle und los ab. Der schmerzhafte Zahn tobte ja auch gerade wieder. Mit jeder Pedalumdrehung wuchs die Angst vor der anstehenden Pein.
Ein Wunder
Aber welch´ Wunder: Ab dem Berliner Ring ließ der Schmerz Meter für Meter nach. An dem Haus der Zahnarztpraxis angekommen, war das Mirakel vollends geschehen: Schmerzfrei! So beschloss ich den unnötigen Zahnarztbesuch kurzerhand eigenmächtig zu beenden, wendete und trat die Heimfahrt an. Mutter wunderte sich über den kurzen Besuch und ich log: „Stell dir vor, es war keiner da. Praxis geschlossen!“ „Was? Die hätten ja wohl telefonisch Bescheid gäb´könn!“ Allerdings ging mir Mutter diesbezüglich nur einmal auf den Leim.
Wie ich heute so mit dem Hund unterwegs war, fiel mir wieder Frau Hochrhein ein. Nach dem Namen hatte ich schon seit Tagen gesucht, wie nach einem fehlenden Puzzleteil.
Ein Gang durch das Haus
13 Jahre lang habe ich in der Semmelstraße 23 gewohnt. Ein dreistöckiges Anwesen mit Hinterhaus, unglaublich verschachtelt. Das Erdgeschoss beherbergte die Metzgerei, im hinteren Teil befanden sich die Wurstküche, zwei Kühlräume, ein Salzraum und ein winziges Kabuff mit dem Knochensägegerät. Mutter erzählte einmal, dass in dem einen Kühlraum nach dem Angriff eine Leiche lag. Der Mann war im Kühlraum erstickt, da das Feuer den Sauerstoff absog. Die ganze Wurstküche war gefliest. An einer Wand standen zwei große Kessel. Wir hatten eine echte Räucherkammer für all die Wurstwaren. Am besten schmecken Wienerli halt, wenn sie so lauwarm aus dem Rauch kommen und noch am rußigen Gestell hängen. Sägemehl wurde dazu immer im Neuen Hafen geholt. Das fand ich recht spannend, weil es immer für Abwechslung sorgte. Und ich genoss es neben meinem Vater im Lieferwagen zu sitzen. Neben der langen Einfahrt gab es einen kleinen Innenhof, in dem Mülltonnen, Fahrräder und bis zu Oma Mathildes Tod die Spirlingsmaischenfässer standen.
“Klenner hol mal….!”
Gleich daneben ging es in den Keller. Wenn es manchmal samstags- oder sonntagsabends hieß „Klenner hol´mal eine Flasche Wein aus dem Keller“ überkam mich als kleiner Stöpsel Angst. Das ist das Thema, das Lehrer gern im Deutschen stellen. Ich hätte den Gang in die Tiefe mit Bravour als Erlebnisaufsatz schildern können. Der Keller war mir immer unheimlich. Rechts war ein Lichtschalter angebracht. Licht an! Und die Ohren gespitzt, ob irgendetwas Verdächtiges zu vernehmen war. Dann laut pfeifend der ausgetretenen Treppe folgen. Biegung nach links und dann den Gang hinter bei spärlicher Deckenbeleuchtung. Die Fernheizung gluckerte vor sich hin. War da was? Es knackst unter den Füßen. Ne Kakerlake zerquetscht – na prima. Ihre Freunde flüchten rasend. Trost spendet die gehörte Ansicht, wenn Kakerlaken da sind, gibt´s keine Ratten. Nochmal links dann, die Thekenkühlanlage produziert auch Geräusche, nun zu den Kellerabteilen, Flasche geschnappt und Rückweg. Welcher Trottel macht denn jetzt plötzlich oben das Licht aus? Ich schrei´den Gang hinter „Licht an!“ Uff. Schnell raus hier.
Ungeziefer gab es bisweilen: Kakerlaken und Ratten. Meine Eltern sagten immer, die letzteren kommen vom Bäcker im übernächsten Haus. Man hat natürlich immer versucht die Viecher loszuwerden. Dazu gehörte absolute Reinlichkeit. Ratten waren allerdings eher selten ein ernstzunehmendes Problem, denn unsere Familie hatte immer Pfeffer-Salz-Schnauzer im Haus.
Will, so hieß unser Mittelschnauzer in den 60ern, wurde im Keller eingesperrt, um einer Einnistung der Nager vorzubeugen. Später dann in den 70ern hatten wir keinen Rattler (= Pinscher/Schnauzer) mehr. Das passte mit einem Lebensmittelbetrieb nicht mehr zusammen, außerdem ging Will immer in die Semmelstr. 21 und schiffte da im Treppenhaus gegen die Wand, denn dort war Dr. Schneidemanns Tierarztpraxis. Das gab Ärger. In dem Nachbarhaus hatte zudem der Allgemeinarzt Dr. Krug seine Praxis. Das ganze Anwesen durchzog ein furchtbar penetranter Gestank, der noch von der Tatsache potenziert wurde, dass Frau Hochrhein im obersten Stockwerk die Ratten der Lüfte, nämlich ein Heer von Tauben fütterte. Das war eklig und nicht zum Aushalten. Mit Frau Hochrhein gab es diesbezüglich den ein oder anderen Disput.
Semmelstr. 23 – Fortsetzung der Hausbegehung
Eine Holzstiege führte durch das ganze Haus. Im 1. Stock war unsere Wohnung, im 2. Stock Oma Mathilde. Gegenüber ihrer Wohnung war in den 60er Jahren das Waschhaus. Es war ausgestattet mit riesigen Metallzubern, in denen die blutige Berufskleidung erstmal eingeweicht wurde. Zum Trocknen kamen diese auf den sich anschließenden Balkon oder auf die beiden Terrassen ober- bzw. unterhalb des 2. Stocks. Der dritte Stock war an Studenten vermietet. Einer der früheren Jura-Studenten ist seit langem stadtbekannt: Adolf Bauer, unser 2. Bürgermeister, jetzt A.D. Im dritten Stock führte eine Tür auf die Altane mit herrlichem Blick auf Stift Haug und unseren ca. 7 m hohen Schlot, der aus dem Hinterhaus ragt.
Den Schlot hat einmal ein, im Appartement wohnender guter Freund meinerseits, in den 80ern mit einem nackten, überlebensgroßen Mann verziert. Meine Eltern fanden es künstlerisch wertvoll, die Nachbarn weniger und so musste er abgehängt werden. Ende der 60er wurde aus der Waschküche das Mädchenzimmer für ca. 4 bis 5 junge Damen. Es war damals Usus, dass das vom Land kommende Personal Kost und Logis bei uns hatte. Katholisch getrennt – die Mädchen im 2. Stock, das Burschenzimmer befand sich im Hinterhaus. Dort wohnte noch ein schon betagtes Paar, Herr und Frau Keil. Wahrscheinlich äußerst günstig, meine Eltern waren diesbezüglich absolut sozial eingestellt. Der Keil Sohn Fritz, der Dunnerkeil, besuchte seine Eltern oft und jedes Mal gab es eine heftige Konfrontation mit Will unserem Schnauzer. Beide konnten sich auf den Tod nicht ausstehen. Wer zuerst mit dem Zwist begonnen hat, Fritz wie der Wüterich aus Struwwelpeter oder Will, der aggressive Schnauzer, weiß ich nicht mehr. Die zwei führten auf jeden Fall Krieg miteinander.
Im 1. Stock führte ein Gang zum Hinterhaus. Rechts vom Gang war eine geräumige Küche mit Gasherd und großem Tisch für das Personal. Dort nahm dieses das Mittag- und Abendessen ein.
Arbeitsbeginn war für die männliche Belegschaft je nach Wochentag vier oder fünf Uhr. Am Samstag wurde sogar bisweilen, vor allem in der Zeit vor Weihnachten, noch eher begonnen. Die Mädchen hatten´s da besser, die begannen um 7 Uhr.
Gefrühstückt hat die Wurstküchenmannschaft zwischen 8 und 9 Uhr. Es wurde ein Tablett mit Malzkaffee, Brötchen, Butter, Marmelade und Wurst nach hinten getragen. Man scharte sich um einen Hackstock, saß auf Mulden und langte kräftig zu. Um 13 Uhr war allgemeines Mittagessen: wir im Ladenzimmer, das Personal oben in der Küche. Gekocht für alle hat meist nebenbei meine Mutter. Ich weiß nicht, wie oft sie die Treppe vom Laden hoch zur Küche gerannt ist. Das war der tägliche Sport um fit zu bleiben. Wir hatten auch eine Angestellte, die sich um Wohnung, Personalräume, Wäsche, und Konradbetreuung kümmerte. Nach Mutters Anleitung verrichtete sie Küchenarbeiten.
Der Speiseplan war sehr abwechslungsreich: Fleischküchle, Suppenfleisch, Bauchspitze, Koteletts, Krautwickel, Bratwurst, Hackbraten, Fleischwurst, Kartoffelgemüse, Nudeln, Salzkartoffeln, Reis, Kartoffelbrei, Salat, Wirsching, Spinat, Blumenkohl, Sauerkraut, immer Nachtisch, vorneweg stets Rindersuppe. Freitags: niemals Fleisch, dafür Fisch, Griesbrei, Reisbrei, arme Ritter mit Weinschaumsauce! Die beste Suppe, ich weiß nicht, ob ihr das kennt, war eine Fleischbrühe in der geräucherte Bauchspitze gekocht worden war mit Reiseinlage.
Personal wird gehegt und gepflegt
Es war damals – wahrscheinlich genauso wie heute – verdammt schwer Lehrlinge für das Metzgerhandwerk zu bekommen. Wenn meine Eltern irgendeinen Tipp bekamen, sind sie am Wochenende bis in die Rhön gefahren, um eventuelle Aspiranten auf eine Ausbildung persönlich kennenzulernen bzw. sich von dem zukünftigen Mitarbeiter ein Bild zu machen oder auch um die Lehrstelle mitten in der Stadt anzupreisen. Das war wirklich eine schwere Zeit. Aus diesem Grund war ihnen jeder unserer Angestellten lieb. Und es ging ihnen gut bei uns. In der Sommerszeit wurden alle nach Ladenschluss in unseren Garten geschafft. Es wurde zu Abend gegessen, geratscht und die Burschen bolzten mit uns Kindern Fussball. Das ging oft bis zur Dämmerung. Auf dem Heimweg gab´s bisweilen noch für alle ein Eis in der Franz-Ludwigstraße (Eis-Babett?). Das Eis da war selbstgemacht, vor allem das Fruchteis war exzellent.
Oh Gott – es ist wieder Kiliani!
Wenn Kiliani war, stand immer ein gemeinsamer Besuch des Volksfestes auf dem Programm. Das war aber auch die Zeit, in der meine Mutter immer die größten Ängste hatte: „Hoffentlich wird mir keine schwanger!“ Das war stets ihre Befürchtung. Selbiges galt auch, wenn das amerikanische Freundschaftsfest war. Schließlich hatte sie für die Nichtvolljährigen die Verantwortung zu tragen.
Es war nicht einfach für sie, wenn die jungen Damen um 24 Uhr noch nicht im Bett lagen oder am nächsten Tag ob des beträchtlichen Alkoholgehalts nicht aus den Federn kamen. Aber letztlich lief doch alles immer glimpflich ab.
Eine gemeinsame Weihnachts- und Faschingsfeier gab es auch jedes Jahr so bis zu Beginn der 70er Jahre.
Was ich wohl nie vergessen werde, ist der frühmorgentliche Besuch in der Bäckerei Schäflein. Überall für uns „Wurstmännli“ der betörende Geruch nach frischem Backwerk. Die warmen wohlriechenden Weck in den Körben knisterten noch vor sich hin. Lecker. Meist holte ich den ersten Korb Brötli für die Wurstkipf und durfte immer noch Hörnchen mitnehmen. Was gibt´s besseres als ein fränkisches Hörnchen in süßen Milchkaffee einzutunken. Ab 6 Uhr kamen dann die ersten Kunden um Brotzeiten abzuholen.
Der “Bananen-Bauer”
Einer von denen war der „Bananen-Bauer“ oder lieblicher es “Bananen-Bäuerle”. Ein schon abgearbeitetes , kleinwüchsiges Männlein in blauer Arbeitskluft mit Schirmmütze, das tagtäglich in den frühen Morgenstunden mit seiner braunen Aktentasche einlief . Irgendwie erinnerte er an „Walther Sparbier“ (das sagt wahrscheinlich kaum einer/einem noch was!) nur kleiner und verhuzzelter. Er arbeitete am Bahnhof und war bei 1×1 oder so ähnlich für Obst und Gemüse zuständig. Drum hieß er „Bananenbauer“. Und tatsächlich brachte er am Morgen oft irgendwelches Obst mit. Einmal hatte er nen ganzen Karton bestellte Bananen für den Nachtisch dabei und ich sollte diesen hoch in die Küche tragen und selbigen wieder zurückbringen. Ich also hoch – die Bananen waren in so blaues Papier eingewickelt- hole fünf zusammenhängde heraus und leg´ sie auf die Küchenanrichte, da fällt eine „Bananenspinne“ auf den Boden – sie hat nur kurz gelitten.
Heiße Knöchli
Donnerstags war Knöchles-Tag. Schon um 6 Uhr stand der riesige Metallkasten im Laden voll mit dampfenden Knöchli, so dass die Ladenscheibe anlief. Ich hasste diesen Geruch und verstehe bis heute nicht, warum viele Zeitgenossen so scharf darauf sind. Auf jeden Fall war das jede Woche ein Mordsgeschäft. Vor allem die Müllmänner rissen sich um die Knöchli und nach kürzester Zeit waren sie Woche für Woche weg. Wer nicht vorbestellt hatte, schaute eh in die Röhre. Im Gegensatz zu den Knöchli, gefiel mir das Auslassen von Schweinefett und das Füllen der Tüten mit dem blauen Etikett, auf dem eine fröhliche Wutz abgebildet war. Ich liebte Griebenschmalz und ein Schwarzbrot mit Schweinefett bestrichen, obendrauf natürlich eine Prise Salz – ein Gaumenfest.
Ich mochte die Semmelstraße – die Metzger- und Bäckerstraße. Vier Metzger, zwei Bäcker. Nur 30 m von uns entfernt war die Metzgerei Lotter. Und vorne stadtauswärts rechts war das Café Walter. Die hatten äußerst gute Salzstangen.
Zwiebelkirchweih
Höhepunkt in der Straße war immer die Zwiebelkirchweih. Nicht so der Trubel mit Bierbänken und –tischen wie heute. Das war ein kurzes aber heftiges Zusammenkommen von Menschen, die die Wallfahrer begrüßten, die damals noch hundertprozentig echte Wallleut waren. Vorneweg lief meist Herr Burger, der meinen Vater bei der Gartenarbeit unterstützte. Vorne beim Bürgerspital wurden Tannenwedel mit angehängten Süßigkeiten verkauft. Der ganze Straßenzug roch nach Zwiebel- und Zwetschenkuchen. Bäcker Schäflein machte jedes Jahr ein Riesengeschäft und die Metzgereien verkauften Leberkäs- und Wurstweck. Waren die Wall-Leut durch war´s Fest vorbei.
Wenn am Samstag, der schon beschriebene Ladendienst beendet war, erhielten alle Angestellten ein großes Wurst- und Fleischpaket für ihre Familie. Samstags ging das männliche Belegschaft spätestens um 10 Uhr ins Wochenende. Ab 15 .30 Uhr kehrte bei uns im Haus Grabesstille ein. Samstag war Badetag und dann wurde relaxed. Wohl verdientes Wochenende.
Ferienerlebnisse in der fränkischen Provinz gibt´s demnächst hier zu lesen! Bis dahin herzlichen Gruß! 🙂
Schon in der Pleicher Grundschule war ich laut Zeugnisbemerkung „sehr lebhaft“. Meine Schrift war saumäßig, aber in allen anderen Fächern, auch im Fach „Rechnen“, ausgezeichnet. Wie damals üblich musste generell eine Aufnahmeprüfung für´s Gymnasium absolviert werden. Ich weiß noch, als wenn es gestern gewesen wäre, dass mir die Lösung von einer kniffligen Sachaufgabe noch kurz vor Abgabe einfiel. Also der Weg zum Gymnasium war frei. Da alle Familienmitglieder der Martins, Kirchner und Hessenauer das Siebold-Gymnasium besuchten, war die Wahl der höheren Schule klar. Ich rechnete in gewisser Weise mit dem sogenannten „Hofeffekt“, da alle dort ein sehr erfolgreiches Schülerdasein verbrachten.
Ich und die Mathematik – Herr H. H.
Während ich in Deutsch, Latein und den Lernfächern im 5. Jahrgang gute Leistungen erzielte, waren sie in Mathematik von Beginn an grottig zu nennen. Mit Mengenlehre wusste ich zum Beispiel wenig anzufangen. Zudem traf ich auf H. H., einen knallharten Studiendirektor , der schon rein äußerlich mit seiner Hornbrille keine „Spaßbombe“ war und zudem mit seinem weißen Mantel furchteinflößend wirkte. Das Motto seiner didaktisch-methodischen Unterrichtsführung war „Friss oder stirb“. Irgendwie kam ich durch. Zum Glück hatte ich dann andere verständnisvollere Mathematiker. Einer von ihnen, Herr K., wohnte als Student bei uns in der Semmelstraße. Ich glaube, der hat öfters mal die Fünf gerade sein lassen.
Die Mathe-Schulaufgabe naht…
Schrecklich war, wenn eine Matheschulaufgabe näher kam. Ich musste pauken und mein armer Bruder Schorsch, der in Mathe nie was anbrennen ließ, hatte die Pflicht mir Nachhilfe zu geben. Ich verstand eigentlich nichts und sagte oft ermüdet, ja verstanden. Am Tag der Schulaufgabe war alles wie weggewischt. Blackout. Den Tränen nah. Dann der Gang nach Canossa, also nach Hause. Je mehr ich mich der Metzgerei näherte, desto schwerer wog die Schultasche. Kurz nach eins dann erst einmal gemeinsames Mittagessen neben dem Leberkäs-Bräter. Die übliche Frage meiner Mutter, wie es war. Ging so. Dann nach dem Mittagessen – das Schlimmste. „Der Schorsch soll´sich die Schulaufgabe mal anschau´ !“ Mein Bruder überflog die Aufgabenstellungen und hatte den Rechenweg schon im Kopf. Nun begann das Verhör: „Erste Aufgabe?“ „Das habe ich so gerechnet. Das war meine Lösung!“ Schorsch lapidar: „Falsch! Da kommt…raus! Zweite Aufgabe?“ „Die habe ich nur halb.“ „Dritte Aufgabe?“ „Nur angefangen…“„5. und 6. Aufgabe?“ „Da war die Zeit zu knapp. Ist doch gemein. Außerdem war das noch nie dran…das ging den anderen genauso. Die hat fast keiner..“Der Tag war dann meist gelaufen. Meine Mutter grantig. „Du musst mehr lernen! Strenge dich mehr an!“ Einmal musste ich eine mit ungenügend bewertete Ex , von deren Existenz außer mir keiner wusste, unterschreiben lassen. Auf der Treppe zur Wohnung bekam ich von meinem Vater eine schallende Ohrfeige.
Latein bei Dr. G
Zum Glück war ich im Sprachlichen weitaus besser und glänzte in Latein vor allem in der 7. Jahrgangsstufe bei Dr. G. mit Bestnoten. Ich hatte da in Latein ab und an Nachhilfe bei Opa Huth. Davon zehrte ich bis zur Kollegstufe. Aber Mathematik war nie meins. Zum Glück konnte ich sie in der Kollegstufe abwählen. Aus diesem Grund kann ich heute bestens verstehen, wenn Schüler in Mathematik nichts kapieren.
Warum ich dann in der Kollegstufe nicht Latein wählte, sondern „Französisch“ vorzog, weiß ich nicht. Naja, ich liebte das Land, Asterix, Gaulois und Gitanes und den Aufenthalt in Paris (siehe Biografie).
Rotzlöffel – nur Unsinn im Kopf
Als Schüler war ich ein rechter „Bankert“, ein Lümmel, der oft nur Unsinn im Kopf hatte. Ich denke die Mehrzahl der Lehrer war froh, wenn sie mich im nächsten Jahr nicht mehr unterrichten mussten. Einen der vielen Verweise habe ich noch: „ Ständige Verbreitung von Unruhe“. Ich denke, das trifft es genau.
Manche Späße waren schon recht derb, beispielsweise wenn ich dem Monsignore D. farbigen Kreidestaub im Vorübergehen auf die schwarze Anzugsjacke pustete oder mich diebisch freute, wenn er wieder mit seine Lackschuhen in einen Reißnagel trat. Ich führte Strichlisten, wenn Lehrer permanent Worte wie „Moment emal“ oder irgendwelche Füllsel „öne“ oder „Mhmna“ verwendeten. Biologielehrer H. hatte die Angewohnheit fast in jedem dritten Satz „letzten Endes“ einzubauen. Der kam bisweilen auf dreißig Striche. Was noch hinzukam, war das der Gute lispelte. Man stelle sich das vor: zwei S-Laute hintereinander. Allerdings muss ich zugeben, dass meine Mitschüler auch keine Waisenknaben waren.
Im Team lassen sich Lehrer noch besser ärgern. Latein- und Geschichtslehrer S. hatte es ganz schwer. Das tut mir im Rückblick heute noch leid. Ehrlich. Einmal holten wir sein Fahrrad vom Abstellplatz hoch in den Gang vor das Rektorat und schlossen es mit einer Fahrradkette an ein Heizungsrohr. Oder einer mopste dem verplanten Lehrer die Schultasche und versteckte sie im Klassenzimmer.
Raucherecke am Fahrradkeller
Geraucht wurde immer an der Mauer zum Riemenschneider-Gymnasium, da wo es zum Fahrradkeller runterging. Einer musste Schmiere stehen, während wir die Selbstgedrehten rauchten. Kam eine Lehrkraft, schnippten wir die Zigaretten einfach zum Riemenschneider-Gymnasium hinüber.
Die schönste Zeit war dann die Kollegstufe. Ich hatte den Führerschein und einen gelben R4. Endlich. Nachdem ich bis dahin leiden musste, da die anderen Kreidler Mokicks haben durften und mit ihren Freundinnen rumkurvten. Bei uns waren motorisierte Kleinkrafträder absolutes NoGo. Mein Vater verbot es.
“Entschuldigtes Fehlen”
Den Typ, der den Geschichte-Leistungskurs leitete konnte ich mit seiner arroganten Art nicht ab. Zudem nervte der Pädagoge mit permanentem Folienauflegen auf dem 70er Medium OHP, der Ur-Beamer, und Gruppenarbeitsaufträgen. So fehlte ich oft „entschuldigt“ und fuhr mit meiner Freundin S., die am Mozart war, lieber über´s Land. Mit dem lieben Mann unternahmen wir dann auch in der 8. Klasse schon einen Schulskikurs nach Sterzing, wo eine Zimmertür zu Bruch ging. Die Schulskikurse waren schon herrlich. Die armen Kerle, die zum ersten Mal auf Skiern standen, am Abend groggy. Die anderen voll fit und zu vielerlei Späßen aufgelegt: Den Schlafanzug nassmachen, mehrere Knoten rein und auf den Balkon legen bis er in kürzestes Zeit Bock hart gefroren ist. Gemein.
Abiturfahrt Prag
Die Abi-Fahrt ging mit ihm nach Prag. Naja. Schöne Stadt und viel Alkohol. Hotel “Europa“ direkt am Wenzelsplatz. An einem Abend hatten wir wieder Ausgang ohne Aufpasser. Eine Bar zog uns an. Ich wechselte zwischen Bloody Mary und Becherovka. Hoch ins Zimmer und ins Bett gelegt. Karussell fahren. Zum Glück hatte ich nur zwei Meter zur Badewanne. Das war mein erster und letzter Vollrausch. Insofern eine lehrreiche Fahrt: Ich vertrag´ keinen Alkohol.
1979 dann Abitur und bestanden. Geht doch. Im vergangenen Jahr trafen wir uns zur 40-Jahre Abiturfeier an der Wittelsbacher Höhe. Schön war´s.
Wo kommen Sie denn her?
Da fällt mir noch eine Episode ein: Nach dem Abitur fuhr ich auch wochentags für die Metzgerei Wurst aus. Eine Station war dabei das Sieboldgymnasium, denn Hausmeister B. , im Pausenverkauf wehrte er immer durch gezielte Boxschläge die anstürmenden Schülermassen ab, verkaufte seit einiger Zeit belegte Wurstbrötchen.
So lief ich so um 9 Uhr mit der Brötchenmulde in die Schule ein und stellte sie auf das Mäuerchen neben der Getränkeverkaufsstelle ab, zu der ein paar Stufen führten. Ich komm mit leeren Händen wieder hoch. Da schallt es: „Wo kommen Sie denn um diese Zeit her? Wieder zu spät?“ Es war Otto Sch. der Schulleiter. Ich fühlte mich zunächst direkt ertappt. Aber dann mussten wir herzhaft lachen.
Wie war das eigentlich vor 50 Jahren schön. Im Rückblick sieht man alles ja irgendwie verklärt. Waren die Zeiten besser? Politisch? Wirtschaftlich? Gesellschaftlich? War es ruhiger als 2020, die Leute zufriedener als heute? Bestimmt weniger abgelenkt, auf wenige Dinge fokussiert. Ohne Web und Mobile Phone. Drei Fernsehprogramme und das Würzburger Volksblatt mehr nicht. Wenn ich mal, die Schulzeit, vor allem die gymnasiale weglasse (dazu an anderer Stelle mehr!), habe ich eigentlich nur beste Erinnerungen an diese Zeit. Zumindest als Kind bzw. Jugendlicher.
Mein Wochenplan so von 1971 – 1985: Schule 6 Tage die Woche, ab 1979 dann Uni
Mittwoch Hundesport beim SV( Schäferhundverein Gerbrunn/ seltener PSV Waldbüttelbrunn)
Donnerstag Radtour im Auftrag der Metzgerei Martin Bestellungen für das Wochenende einsammeln, vor allem im Heimgarten und Frauenland (Zeitaufwand ca. 2 Stunden)
Freitag MC Gruppenstunde, danach Fußballgebolze auf dem Augustinerhartplatz neben dem Kloster, ideal zum Auspowern bis zum Einbruch der Dunkelheit.
Samstag: Wurst- und Fleischwaren-Lieferdienst
Die Route der samstäglichen Auslieferung war genau ausgeklügelt um möglichst wenig Sprit zu verbrauchen. Getankt wurde damals immer am Berliner Ring bei L. Schürer. Meist am Ende der Ausfahrerei. Da waren samstags so um die Mittagszeit immer die “Würzburger Playboys” zum Smalltalk mit ihren Cabrios oder schmucken Karossen versammelt.
6.00 Uhr Noch etwas verschlafen den Lieferwagen, ein Hanomag, mit großen Fleischkästen geschickt beladen: was zuerst angefahren wurde, kam logischerweise zum Schluss auf die Ladefläche.
Die erste Runde mit den großen Lieferungen war etwa so: Uni-Klinik Diätküche, Rotkreuzklinik, Kaufhof, Augustinerkloster, Bürgerspital, verschiedene Altenheime wie Annastift in der Theaterstraße, Raphaelsheim am Haugerring, St. Anna (Erlöserschwestern) Balthasar-Neumann-Promenade, …….
Die zweite Tour: Wurstpaketzustellung an Privatkunden : Crevennastraße, Annastraße, Heimgarten,…..
Frau im Negligé
Du klingelst mit der nach Wurst duftenden Tüte an der Haustüre. Samstag, ca. 7.15 Uhr. Hoffentlich sind die Leute schon wach. Ah der Summer ertönt. Du eilst die Treppe hoch. Die Tür geht auf. Der Muff der Nacht zieht in die Nase. „Grüß Gott“ – Dame im Negligé öffnet die Tür, ziemlich verstrubbelt, amouröse Abenteuer undenkbar. Kundin : „Was macht es?“ „18,50 DM“. „20 DM“. „Stimmt so!“ „Wiedersehen, schönen Sonntag!“ Fünf Treppen auf einmal genommen ging´s wieder zur Haustür.
Im Frauenland: Frau B., Frau E. und Frau Sch.
Die nächste Tour Frauenland, Trautenauer Straße. Frau B. immer äußerst spendabel. Bei Familie Sch. duftet es immer nach frisch gekochter Suppenbrühe mit Maggikraut. Frau E. im Nebenhaus war geizig bis dorthinaus, Aufgehenlassen für ein wenig Trinkgeld kam bei ihr nie in die Tüte: „Da haste 15.- Mark, den Rest zahle ich dann nächste Woche.“ Andere, vor allem die alten Leute im Heimgarten, die Eisenbahner, waren freigiebig. Auf dem Heimweg ging es dann noch mal durch die Barbarastraße. Da war ein kleiner Tante Emma-Laden mit richtig großen Weck mit Kümmel. Lecker. So was gibt´s heute kaum mehr. Entweder aßen mein Vater und ich jeder einen trockenen Kipf, tranken dazu eiskaltes Cola oder aßen im Sommer Eis. Dann ging die Fahrt wieder zurück zur Semmelstraße und danach zu den “Außenposten“ ins Steinbachtal zum Kloster „Sankt Bruno“ und dann wieder zu einigen Privatkunden den steilen Berg hinauf Richtung Frankenwarte und zurück über einige Stationen in der Zellerau.
Anschließend Endstation Semmelstraße. Es sei denn, wir hatten ein Päckchen vergessen oder es wurde nachbestellt. Entweder aß ich dann ein Fleischsalat- oder Leberkäsbrötchen. Meistens fuhr ich dann hoch zur Sieboldshöhe und habe die Wohnung aufräumen, saugen und bohnern dürfen. Ab 12.45 Uhr hieß es dann Ladendienst anfangen. Also, allmählich damit beginnen das Fleisch aus dem Laden wieder in die Kühlräume zu bringen. Selbiges galt für die gesamte Wurst aus der Theke. Alles wurde fein säuberlich in Mulden gelegt und zurückgetragen. Ärgerlich war, wenn dann noch ein Kunde zum Hintereingang im Hof hereinschneite und bestimmte Dinge wieder geholt werden mussten. Nun den Stock kratzen, das heißt mit einer Drahtbürste die Hackstöcke kratzen bis keine Spuren von Blut etc. zu sehen sind- also de facto bis der Hackstock wieder jungfräulich aussah.
Jetzt drängte sich die ganze Belegschaft um den kleinen Tisch im Ladenzimmer zu einem vielleicht 15-minütigen Kaffeeklatsch. Da gab es meistens süße Teile zu essen. Also heute würde man sagen Teambesprechung auf engstem Raum mit Chefin und Chef. Meine Eltern waren damals ihrer Zeit weit voraus. Nun ging es rund: Putzen, die Scheiben der Theke herausheben und mit Glasreiniger säubern, der ganze Laden wurde unter Wasser gesetzt, es wurde picobello jede Ecke akribisch gereinigt. Ich hatte Dienst am Schieber und musste das ganze Wasser nach draußen in den Einfahrtshof befördern. Heißes Wasser wurde aus den Kesseln in der Wurstküche herbeigeschleppt und der ganze Hof ausgeschwemmt und mit dem Schieber abgezogen. Der letzte Akt war dann der Gehsteig vor dem Geschäft. Feierabend sollte man meinen. Aber dann schloss sich noch der Fahrdienst für das Personal an, das hieß eine oder zwei der Grazien wurden nach Hause in ihre Dörfer gefahren. Eine Tour ging zum Beispiel nach Untersambach bei Wiesentheid. Im Schnitt war es dann etwa 16 Uhr. Meist bin ich dann mit den Hunden zum Schäferhundeverein nach Gerbrunn zum Trainieren. Nach der Übungsstunde, habe später selbst figuriert (Hundesportler wissen, was damit gemeint ist), gab´s im Vereinsheim leckere Bratwürste.
War eine wunderschöne Zeit. Jeden Mittwoch und Samstag war Übungsbetrieb. Obwohl ich ja keinen Deutschen Schäferhund besaß, sondern Riesenschnauzer hatte, war ich voll im Verein integriert.
Fortsetzungen folgen: Verbreitung von Unruhe im Siebold-Gymnasium oder der jüngste Vorsitzende des Pinscher-Schnauzer-Klub 1995 e.V. lädt zu Versammlungen in den “Deutschen Garten” (heute ist da der Zauberberg beheimatet!) ein.
Heutzutage ist der Gang zum Friseur, zum Stylen der Haare unglaublich in. Ich weiß nicht genau wie viele Friseurläden in der Theaterstraße wie Pilze aus dem Boden gewachsen sind. Der Besuch beim Barber gehört bei dem starken Geschlecht heute zum guten Ton und das vielleicht mehrmals im Monat. Das färbt ab. Grundschüler und Kindergartenkinder wie Justin, Jonas, Maximilian, Ben, Noah, Louis, Henri und Felix sind haarmäßig voll trendy. Haargel ist in. Früher hätte man dies als übertriebene Eitelkeit abgetan. Das heißt nicht, dass es den Gang zum Friseur nicht gab. Es gab ihn. Und zwar äußerst widerwillig, denn es war nur notwendige Pflichterfüllung.
Ich hasste den Gang über die Semmelstraße in den Hinterhof von „Laufstil“. Dort befand sich ein unscheinbares Friseurgeschäft. Inhaber war Herr Eberhard (wenn ich mich noch recht entsinne!). Nicht mehr der Jüngste, mit lichtem blonden Haar. Seine Hände wiesen schon Altersflecken auf. Ihm zur Seite gesellte sich ein eher mollig zu nennendes, weitaus jüngeres, rotblondes weibliches Wesen. Seine Frau. Betrat man das Geschäft, wurde man sofort, erhöht durch ein Stühlchen, in den Friseursessel gesetzt.
Der Prozedur des Haarschnitts – der Rabbo – also minimal langes Haar (fränkisch)
Und die Prozedur begann ad hoc: Friseurkittel rum, dazu um den Hals so ein Papierband, das einen den Atem nahm und kratzte. Es sollte glaube ich verhindern, dass einem Haare unters Hemd gelangten. Quasi eine Haarbremse. Nun holte er ein mit Wasser gefülltes Spritzfläschlein hervor und besprühte einem das ganzen Kopfhaar. Verdunstungskälte kam auf. Das ersetzte die Wäsche. Kamm oder Bürste gezückt und Haare glatt gestrichen. Elektrischer Haarschneider raus. Rundherum, von rechts nach links und wieder zurück. Rabbo. Mit der Schere bzw. mit dem Rasierer noch etwas nachjustieren. Zum Schluss wurden mit einem stinkigen Pinsel die restlichen abgeschnittenen Haare zu Boden befördert und die Nackenpartie mit irgendeinem Puder eingestäubt. Zeichen dafür, dass die Tortur ein Ende hatte. Halsband runtergerissen. Kittelschürze raus. Bezahlt und raus aus dem Laden. Draußen dann das Gefühl, als wenn es um fünf Grad kälter geworden wäre. Vor allem am Kopf. Und jetzt juckte es wieder hinten am Rücken. Mist.
Frau Eberhard – die Gespielin
Friseur Eberhard und seine Frau waren schon speziell und sehr verliebt. Sie war wie erwähnt um etliche Jahre jünger und schon kindlich-naiv zu nennen. Einmal erzählte sie in der Metzgerei ihre Bettgeschichten bzw. -spiele mit dem Eberhard: „Wir werfen jeden Morgen im Bett einen Ball hin und her.“ Süß.
Salon Dömling – Theaterstraße
Mein Vater ging auch zum Eberhard. Meine Mutter genoss die wöchentlichen Friseurbesuche im Salon „Dömling“ in der Theaterstraße neben dem Schreibwaren Kurtze. Später wurde der Salon von Herrn Tietze (heute Bahnhofstraße) übernommen.
Der Traum der langen Haaren bleibt unerfüllt
Ich hätte gern, vor allem in den 70ern, mein Haar lang getragen. Aber hier kannten meine Eltern kein Pardon. „Die Wolle muss wieder mal runter!“ Dabei standen sie gerade ein wenig auf dem Hemdkragen auf. Meine Cousins hatten es da besser. Die hatten vielleicht Matten. Erich, Michael und Matthias hätte man sofort für die Mitglieder einer Rock- oder Beatband halten können. Alles Bitteln und Betteln half nichts. Friseur.
Das schmerzte um so mehr als ab 1973 Mark Farner von Grand Funk Railroad zu meinem großen Idol wurde. Und der hatte Haare bis zum „Arsch“. In meinem Zimmer hing dazu ein riesiges Poster: Mark Farner im Shea Stadium.
Mein Vater hatte nichts dagegen. Aber die Haare wurden geschnitten. Und dann kam der Satz, der einem völlig den Wind aus den Segeln nahm: „Denjenigen, die heute lange Haare haben, fallen später mal die Haare aus. Die kriegen ne Glatze!“ Heute habe ich fast eine. Komisch, habe mir doch eigentlich in der Beziehung nichts zu Schulden kommen lassen.
Nachdem ich meine Lehramtsanwärterzeit in Lohr am rostbraunen Nägelseeschulzentrum erfolgreich beendet hatte, sollte ich den Vorbereitungsdienst in Sennfeld antreten. Etwa eine Woche vor Schulbeginn kam jedoch in der Metzgerei ein Anruf des Schulamtes, dass ich nach Großostheim, also nach „Oustem“ (so wird´s von Einheimischen genannt!) versetzt würde. Schluck! Schock! Untermain! Verbannung! Großostheim etwa 90 km einfach von Würzburg entfernt und gerade noch Bayern. Mit dem R4 täglich dahin und zurück? Fiat Uno 75 i.e gekauft. Muss mir wohl auch eine Wohnung nehmen. Vor allem für die Winterszeit. Auf Vermittlung des Schulsekretariats hin, sah ich mir eine Wohnung im 3. Stock in der Hasselstraße in Ringheim an. Die Vermieterin redselig, erzählte, hessisch dialektgefärbt, so nebenbei alle bekannten Geheimnisse aus dem Lehrerkollegium.
Endlich Freiheit. Als Lehrer zur Anstellung ohne den lästigen Seminarleiter. Ich übernahm als Klassenleiter eine 5. Jahrgangsstufe. Die Kollegen waren nett und die Stimmung oft feuchtfröhlich. Am Untermain weiß man jeden Anlass zu feiern. Am Kirchweihtag war schulfrei. Die Schule war riesengroß, drei bis vierzügig. Problematisch waren die sogenannten „cit“ Klassen. „cit“ bedeutete nur mit italienischen Schülern. Es gab einige italienische Lehrkräfte, die in diesen Klassen „Italienisch“ unterrichteten und sich natürlich super verständigen konnten. Die “Bambini” beherrschten durch die Bank kein Deutsch und waren eigentlich auch nicht gewillt mit deutschen Lehrkräften zu kommunizieren. Zudem hatte ich das Pech mit den lieben kleinen 5cit-Klässlern am Freitag in der 5. und 6. StundeKunsterziehung betreiben zu dürfen. Der reinste Spießrutenlauf. Die Rotzlöffel zogen alle Register, mir, dem armen LzA., die zwei letzten Stunden der Woche zur Hölle zu machen. Dass sie sich gegenseitig mit Wasserfarben bemalten und sich dabei mit den Borstenpinseln beinahe die Augen ausstachen, war noch das geringste Übel.
Wie aus dem Nichts fingen die netten „ragazzi“ plötzlich an sich zu prügeln, sich auf dem Boden herumzuwälzen, sich gegenseitig zu beschimpfen und zu bespucken. Zum Glück verstand ich nicht all die Schimpfwörter, die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen. Flöhe sind leichter zu hüten! Also zwei Stunden pures Chaos, obwohl ich mir in der Vorbereitung große Mühe gab, abwechslungsreiche und kreative Themen und Arbeitsweisen anzubieten. Mitteilungen, Ermahnungen und Gespräche mithilfe der italienischen Lehrer fruchteten nur kurzzeitig. Durch raffinierte Ablenkung meinerseits, schafften es einige, sich über den Gruppenraum in das benachbarte, zu dieser Zeit freie, Klassenzimmer zu schleichen, um dort verschiedene Fressalien wie Chips mitgehen zu lassen. Mangelnde Aufsichtspflicht!!!!
Es war mal wieder Freitag, 11.45 Uhr, als trotz Lärm ein lautes Klopfen zu vernehmen war. Einer meiner italienischen Freunde öffnete stürmisch die Tür: Schulrat S., Aschaffenburg-Land. Unvorhergesagter Schulratsbesuch. Oh Sch…. : Unterrichtsplaner, Lehrnachweis – Fehlanzeige. Schriftliche Unterrichtsvorbereitung – ja. Meine italienischen Freunde, die selbst durch den anwesenden Schulrat nur leicht eingebremst wurden, waren das Salz in der Suppe. Der Kelch ging an mir vorüber. Schulrat S. war dann zudem nicht mehr für mich zuständig, als ich ein Jahr später nach Würzburg zurückversetzt wurde. Allerdings begann ich noch zu Großostheims Zeiten mit dem Erlernen der italienischen Sprache an der Volkshochschule.
Im ersten Jahr wohnte ich also in Ringheim und man hatte mir als Newcomer einen “Super-Stundenplan” verpasst. Spät anfangen und spät am Nachmittag aufhören. An einem Tag musste ich erst um 11.20 Uhr mit dem Unterricht beginnen. Klasse. Wenn ich dann um 9 Uhr im Ringheimer Einkaufsmarkt war, habe ich im Umfeld oft die schwänzenden Schüler entdeckt, zudem wurden meine Einkäufe kritisch von Erziehungsberechtigten beäugt, wenn sie auf dem Band lagen.
Die grün-gelbe ausgestattete Dachgeschosswohnung in der Hasselstraße war äußerst hellhörig, meine Wohnungsnachbarn sexuell sehr aktiv. Man hätte fast die Uhr danach stellen können. Die Zeremonie, der Akt, wurde immer mit Musik eingeleitet. „Still Loving You“ von den Scorpions beispielsweise in Dauerschleife. Meistens plätscherte Wasser in die Badewanne. Dazu gesellten sich dann rhythmische Stöhngeräusche der Nachbarin, die dann zunächst wieder abebbten, um dann eine halbe Stunde später von neuem zu beginnen. Als Gegenmaßnahme ließ ich den Fernseher laut laufen. Nach dem ersten Winter pendelte ich dann sowieso jeden Tag hin und her. Im zweiten Jahr gab ich die Wohnung auf.
Was schön war, dass sich mit Manfred H. ein zweiter LzA an der Schule eingefunden hatte. Abundzu fuhren wir im Winter zum Skifahren an den Engländer bei Hösbach. In der Mittagspause gingen wir regelmäßig zum Essen und tauschten uns über das Kollegium aus. Einmal waren wir beim Chinesen. Ich bestellte Schweinfleisch süß-sauer. Bei reger Unterhaltung rutschte ich mit der Gabel ab und kleckerte mir die weiße Hose mit roter Sauce unter der Gürtellinie voll. Absolut peinlich und unübersehbar an pikanter Stelle. Scheibenkleister. Ich hatte noch Werken zu unterrichten, schlich mich an den bereits wartenden Schülern vorbei und warf mir schnell eine Werkschürze über. Uff geschafft!
Am Freitag nach Schulschluss ging es sofort zum hinter der Schule geparkten Auto und wir jagten zur A3. Am Berg zum Spessart hängte Manfred mit seinem Ford Escort-Turbo-Diesel immer meinen Fiat Uno75 ie ab. Das ärgerte mich. Einmal rief jemand aus der Nachbarschaft der Schule im Sekretariat an und teilte mit, dass ein Fiat mit Würzburger Kennzeichen hinter der Schule Unmengen von Öl verlöre. Es war meiner. Bin dann langsam nach Waldbüttelbrunn zum Fiat-Seuberth getuckert.
Eine Szene aus dem Lehrerzimmer ist mir noch besonders in Erinnerung geblieben. Wie bereits erwähnt waren an der Schule italienische Lehrer beschäftigt. In jeder Pause waren alle Tische des Lehrerzimmers mit ca. 30 Lehrkörpern voll besetzt. Blickrichtung aller war die Eingangstür zum Lehrerzimmer. Die öffnet sich und hereinkommt der großgewachsene, bebrillte und Seitenscheitel rechts tragende Kollege namens Giovanni A. aus Italien, kratzt sich am Gemächt seiner engsitzenden Hose. Da ruft einer im trockenen südbayerischen Ton: „Nicht kratzen – waschen Giovanni.“ Giovanni wurde mächtig rot. Wir lagen unter den Tischen.
Es war im Rückblick eine schöne Zeit in „Oustem“: die etwa einstündige Fahrt dorthin ließ einen über die bevorstehenden Stunden sinnieren, ich konnte richtig träumen. Dann bei Stockstadt auf die B469, durch den Wald und dann war man ob des Schweinegüllengeruchswach und in „Oustem“ am Dellweg angekommen. Im Unterschied zu Würzburg später war in den beiden Jahren in „Oustem“ der Gabentisch für den Lehrer am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien voll gedeckt: diverse Alkoholika wie Weinbrand, Süßigkeiten in verschiedenster Form, Käse, Hausmacher Wurst und geräucherter Bauchspeck. Einfach mehr Herz und Freude am Schenken.
Übrigens erlangte „Oustem“ durch die TV-Serie „Mit Leib und Seele“ mit Günther Strack zu dieser Zeit bundesweite Berühmtheit. In der Schule wurden auch einige Szenen gedreht. (Staffel 1/ Folge 5)
Also früher, in den 60 er Jahren, durften wir als Kinder nie krank sein. Der Grund dafür war, dass man in der Schule wichtigen Unterrichtsstoff versäumen würde. Ihr könnt euch vorstellen, es war jedes Mal nicht leicht, wenn es einem richtig dreckig ging und man in die Schule musste. Meine Mutter Hannelore war hier äußerst hartnäckig. Sie war als Schülerin so pflichtbewusst und schleppte selbst bei Luftangriffen immer ihre Hefte mit in den Luftschutzkeller. Wenn es also begann, dass man krank wurde, das heißt die ersten Symptome wie Kopfschmerzen, Husten, Schnupfen und Fieber tauchten auf, wurde sofort mütterlicherseits das Arsenal der Geheimwaffen geöffnet: erste Maßnahme Fieber rektal messen, zweitens ein heißes Bad in der Badewanne, drittens mit Schalfanzug, Bademantel, Wollstrümpfen und Wolldecken (oder alternativ Wadenwickel) ab ins Federbett zur Schwitzkur. Dazu tröstende Worte: „Wirst sehen, es geht dir gleich besser. Morgen kannste wieder in die Schul´!“ Dann noch ein paar Schluck` Klosterfrau Melissengeist bzw. der damit getränkte Waschfleck auf die Stirn (die Allzweckwaffe!), mit Wick Vaporub-Salbe die Brust gut einreiben und abends vor dem Schlaf, den Kranken noch mit Wickmedinait sedieren. Der Bub schläft sich gesund. Nach dieser Rosskur ging es einem tatsächlich am nächsten Tag etwas besser. Ab in die Schule. Zähne zusammenbeißen, sonst wurde man als „Markusbruder“ (also einer, der Krankheit simuliert) tituliert.
Also eigentlich gab es krank sein bei uns nicht. Da war man hart. Einmal allerdings, war Schluss mit dem „Markusbruder“. Es war so um 1968 herum. Es lag Schnee, also echter Winter in Würzburg, Ich bekam die Mumps und hatte plötzlich wahnsinnige Kopfschmerzen und hohes Fieber. Dr. Krug, unser Hausarzt kam vorbei. Diagnose: Meningitis, also Hirnhautentzündung. Sofort wurde ich von meinen Eltern in die Rotkreuzklinik in der Henlestraße gebracht. Es war für mich als Kind furchtbar: im selben Zimmer mehrere ältere Jugendliche, mir ging es dreckig, vier Wochen Quarantänezeit (Besuch schaute zu einem Fensterausschnitt in der Tür rein), das Personal wenig freundlich und zu allem Übel kletterten nachts Kakerlaken aus einem Kanalgitter im Zimmer. Dazu diese regelmäßigen Punktierungen. Zum Glück wurde nach etwa zwei Wochen oder so auch Erich, mein Cousin, eingeliefert. Das war schön. Jetzt bastelten wir zusammen Faller-Doppeldecker und andere Flugzeuge.
Zur Geschichte des Hauses: 1928 vom bekannten Kirchenarchitekten Prof. Albert Boßlet als Säuglingsheim erbaut, im Krieg zerstört, dann nach alten Plänen wieder hergestellt und zur Rotkreuz Kinderklinik ausgebaut, nach längerem Leerstand in den achtziger Jahren zwischenzeitig von jungen Leuten besetzt, wurde es schließlich wieder vom BRK-Kreisverband Würzburg übernommen und 1992 als “Seniorenzentrum Frauenland” eröffnet. (WiKI Würzburg)
Habe heute erfahren, dass Mike Viertel verstorben ist. Möge er in Frieden ruhen. Er bleibt als immer freundlicher und herzlicher Mensch in Erinnerung. Ein Gitarrist par Excellence. Es tut weh.
Früher in der Zeit ohne Homepages war die Suche nach Auftrittsmöglichkeiten noch eine ganz andere. Man war mit dem Auto in der fränkischen Provinz unterwegs um eventuelle Auftrittsmöglichkeiten in Form von Kneipen und Wirtshäusern zu erkunden. Meist waren die Anfragen dann, wenn man den Inhaber selbst erwischte wieder schnell vom Tisch bzw. wenn man in den Lokalitäten die Leute sah, die darin verkehrten. Aber wir taten auch gute Locations auf, die wir oft mit Black Bird
oder Klopstock über Jahre hinweg bespielen durfte. Damals waren es aber im Gegensatz zu heutigen „Der Hut geht rum“-Auftritten, echte, das heißt es wurde ein Eintritt verlangt, den man nach getaner „Arbeit“ mit nach Hause nehmen durfte.
So klapperte man diverse Läden ab. Eine gute Informationsbörse war hier natürlich der „Musik-Treff“ von Kilian Stein in der Seinsheimstraße. Hier wurden dann auch die Erfahrungen mit den Wirten und Veranstaltern ausgetauscht. Ein böser Verein waren hier zum Beispiel die Freaks aus Kolitzheim, wie schon in der Biographie erwähnt, die in ihrer Kneipe „Neu Amsterdam“ die Bands reihenweise über den Tisch zogen.
Bisweilen waren die Locations schon strange. Ich erinnere mich an eine ganz besonders. Mit Black Bird hatten wir 1981 in Gnötzheim, Ortsteil von Martinsheim im südlichen Landkreis Kitzingen, schon mal gespielt. Es galt also für Klopstock eine eventuellen Auftritt dort fix zu machen. Hugo, seine Frau Gertrud und ich sind dann an einem Spätnachmittag von Oberbreit dorthin gegondelt. Der Kneipier, ein richtiger Freak, freundlich und nett, war auch vom Vorschlag eines Klopstock – Gigs sehr angetan und man kam so recht gut ins Gespräch. Allerdings machte der ganze Laden einen recht runtergekommenen und schmuddeligen Eindruck. Der freundliche Typ meinte dann, ob wir nicht ein Schnäpschen mit ihm trinken wollten. Wir hatten nichts dagegen und so lotste er uns hinter dem Tresen in eine Art Küche mit Fenster, holte eine Flasche Korn oder Birne hervor und schenkte jedem ein Stamperl ein. Sehr nett. Er ging kurz raus und wir hoben die Gläser einstweilen, die wohl über Wochen kein Abspülbecken gesehen hatten und milchig trüb bzw. verschmiert waren. Uns grauste es. Er kam zurück und wir waren genötigt die Brühe hinunterzukippen. Wir haben es wahrscheinlich auf Grund des hohen Alkoholgehaltes überlebt. 🙂
Meine zwei ersten Jahre der Grundschulzeit verbrachte ich an der neuen Hauger Schule. Das war eine schöne Zeit. Der Schulweg von der Wallgasse bis zur Semmelstraße war kurz. Gelaufen bin ich jeden Tag mit meinem Freund Thomas M. Allerdings war der Heimweg schöner. Da spielten wir immer Ritter. Die Anorak-Kapuze wurde stets aufgezogen und der Rest baumelte am Rücken runter, das war der Rittermantel. So zogen wir meist zu viert vom Hinterausgang in der Wallgasse zur Neutorstraße. Ein Halt wurde meist am Ende der Neutorstraße eingelegt. Gegenüber vom heutigen „Pan di Zucchero“ befand sich ein kleiner Laden, zu dem drei oder vier Stufen hinaufführten, der für kleine „Rittersleut´“ Bärendreck bereithielt. Für vier Zehner waren wir täglich eingedeckt, um unseren kleinen Kreuzzug zu Ende zu führen. Im schönen Hof der Semmelstraße 67 schauten wir nach, ob der dicke Boxer von Herrn Loos zu sehen war, „Ritter“ lieben Hunde. Wenn er da war, dann wurde der durchgeknuddelt, obwohl er fürchterlich muffte. Dann ging es weiter zum Bäckerbrunnen an der Metzgerei “Lotter” vorbei und dann ins Ladenzimmer der Metzgerei Martin, in der mich schon der Leberkäsduft erwartete. Der Leberkäs der Metzgerei Martin galt als der beste der Stadt. Noch heute schwärmen die Leute davon. Meine Mutter stand meist im Laden und bediente. Kurz nach eins gab es Mittagessen , das wir im kleinen Ladenzimmer an einem mickrigen Tisch neben dem dampfenden Leberkäsbräter einnahmen. Täglich gab es Suppe, Hauptgericht und Nachspeise – freitags fleischlos. Da von 13 Uhr bis 14 Uhr Mittagspause war, konnten wir fast ungestört zu Mittag essen. Bisweilen jedoch, als ich in der 3. Klasse in der Pleicher Schule war, kam oft ein ungebetener Gast, der an der Ladenzimmertür im Hof klopfte: Frau Motzel, meine Klassenlehrerin, eine ausgezehrte, alte silberlockige Jungfer, um deren beinahe skelettierten Extremitäten dunkelblaue Baumwollhosen schlotterten. Mutter musste sie dann immer schnell für ihre großen Einkäufe (75 g Fleischwurst, 1 Knäudele und 100 g Hackfleisch) bedienen. Ich war stets froh, wenn sie wieder weg war. So funktionierte damals eine Sprechstunde mit den Erziehungsberechtigten. Nachdem der Tisch abgeräumt war, wischte Mutter den Tisch und das Katholische Volksblatt wurden fein säuberlich auf dem Tisch ausgelegt. Zeichen für mich, dass jetzt neben dem Leberkäsbräter die Hausaufgabenzeit unter dem wachsamen Auge meiner Mutter begann. Ich bin Linkshänder und man hatte mir unter Nachdruck beigebracht, rechts zu schreiben. So holte ich die Hefte mit der Erstklasslineatur heraus und begann zu schreiben. Währenddessen war das Geschäft wieder offen und Kunden mussten bedient werden. Ich gab mir Mühe und schrieb mit Bleistift bzw. nun mit Füller fein säuberlich auf Orthografie achtend. Mutter kam und kontrollierte. „Hm, da hast du ein Wort vergessen! Das schreibst du gleich noch einmal!“ Ratsch – und schon war die Din A5 Seite herausgerissen und die zweite Hälfte des Blattes auch. „Gib dir Mühe!“. Kurze Zeit später. „Da hättest du mehr Abstand zwischen den Wörtern lassen müssen. Das hast du so ´neigeknört“. Ratsch – Seite raus. „Löschblatt unter die Hand, dass ja kein Fettflecken drauf kommt.“ Das Heft wurde nun schon merklich dünner. Ein erneuter Versuch. Mir taten schon die Griffel weh, die „Schreibkraft“ ließ nach. Pfeife – verschrieben! Mutter jetzt recht angesäuert: „Jetzt müssen wir radieren.“
Der blaue Anteil des Radierers schmiert. Der Leberkäsbräter dampft munter vor sich hin. Jetzt ist auch noch ein Fettflecken drauf. Noch einmal. Wieder verschrieben. Es wurde der hellblaue Radierer erneut strapaziert. Die Lineaturseite wurde durch den wiederholten Einsatz des Radierers zunehmend aufgeraut. Tintenkiller gab´s noch nicht. „Pfeife – jetzt ist das Schreibblatt auch noch durchgerubbelt. Geh´schnell zum Schreibwaren „Kurtze“ und kauf´ ein neues Heft!“ So fiel es mir leicht die deutsche Orthografie zu erlernen. Meine Mutter übrigens, hatte nie eine schöne Schrift besessen. Das Wort Weißwurst war bei ihr nur mit Fantasie zu lesen.Zwei W im Abstand, nach jedem ein waagrechter Strich! Martinsche Kurzschrift halt. Leberkäse:
L strich k strich! Geht doch!
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