Das Bürgerspital und der Metzgerei Martin ihr Schweinswürscht
Eigentlich wollte ich erst die Geschichte ” Frau Martin muss auf die Polizeiwache” hier veröffentlichen. Aber ich habe jetzt erst mal diese hier über die Schweinswürscht-Produktion für das Bürgerspital gewählt. Die Polizeiwache kommt natürlich noch…
Wie wahrscheinlich keiner weiß oder nur noch wenige wissen, war unsere Familie und zwar die Linie meiner Mutter (geborene Keller) einst eng mit dem Bürgerspital in der Theaterstraße verbunden. Unser Großvater Gottfried Keller und seine Frau Hedwig hatten die Weinstube in den30er und 40er Jahren gepachtet. Zu dieser Zeit waren, wie mir meine Tante Ilse (Hessenauer , geb. Keller) erzählte, etliches Personal bei unseren Großeltern beschäftigt. Nach dem Krieg, Gottfried starb bereits vor Ende des Krieges, bewirtschaftete Hedwig die kleine Trinkstube, ähnlich dem Hockerle heute, bis zu ihrem Tod 1963. Die Bürgerspitalweinstuben wurden natürlich von der Metzgerei Martin beliefert und die Schweinswürste waren sehr begehrt. Nicht selten ging es dann sonntags hier zum Geschäftsessen ins Bürgerspital, was für uns Kinder immer ein besonderes Ereignis war, obwohl wir immer dasselbe aßen: als Vorspeise Rinderbrühe mit Leber- und Markklößchen, danach Rumpsteak mit Zwiebelringen und damals noch vorfritierten selbstgemachten Pommes Frites. Mutter bekam dann immer von mir das Leberklößchen in die Suppentasse gekippt, bevor der Leberklößchengeschmack die ganze Suppenbrühe kontaminierte (zu meiner Leberaversion an anderer Stelle mehr!!!) Der damalige Pächter in den 60ern Herr Schenk kam dann immer an den Tisch, wie es auch heute noch Tradition bei Wieseneggs ist, zum Smalltalk. Dem Pächter Schenk folgte Herr Rudolf Pötzel, ein Oberkellner, der schon bei meinen Großeltern angestellt war. Die Schweinswürste boomten mehr und mehr und sehr oft waren diese ruckzuck aufgebraucht, so dass Pötzel frische ordern musste. Mein Vater hatte aus diesem Grund immer in weiser Voraussicht entsprechende Mengen Brät im Salzraum eingelagert, so dass er für Nachschub sorgen konnte. Aber häufig war der Vorrat bereits am Samstag aufgebraucht. Herr Pötzel in seiner Not machte sich dann schnurstracks in die Semmelstraße auf und klingelte Sturm bei uns an der Wohnung. Meine Mutter beim Ertönen des ersten Klingeltons: “ Mmmmmh, des ist bestimmt der Pötzel, der will Schweinswürscht. Konrad, haste noch Brät?“ Und das am Sonntagabend um 20 Uhr. Manchmal rief meine Mutter beim Läuten der Glocke:“ Schnell Licht aus! Das ist der Pötzel!“ Der schaute nämlich tatsächlich von der Spielzeughandlung Rußwurm herüber, ob bei uns Licht brannte. Ans Telefon gingen wir nämlich zu diesen Uhrzeiten nie. Denn wir wussten immer, wer dran war. Wenn Brät noch vorhanden war, ging mein Vater dann immer in die Wurstküche, um die Schweinsdärme an der Maschine mit Brät zu füllen und abzudrehen. Dann wurden die frischen Schweinswürste in einer Mulde von ihm oder uns zum Bürgerspital getragen. Der Abend war gelaufen.