Kurzgeschichte vom Untermain: Schulalltag in „Oustem“ und Gestöhne aus der Nachbarwohnung

photo/markt

Nachdem ich meine Lehramtsanwärterzeit in Lohr am rostbraunen Nägelseeschulzentrum erfolgreich beendet hatte, sollte ich den Vorbereitungsdienst in Sennfeld antreten. Etwa eine Woche vor Schulbeginn kam jedoch in der Metzgerei ein Anruf des Schulamtes, dass ich nach Großostheim, also nach „Oustem“ (so wird´s von Einheimischen genannt!) versetzt würde. Schluck! Schock! Untermain! Verbannung! Großostheim etwa 90 km einfach von Würzburg entfernt und gerade noch Bayern. Mit dem R4 täglich dahin und zurück? Fiat Uno 75 i.e gekauft. Muss mir wohl auch eine Wohnung nehmen. Vor allem für die Winterszeit. Auf Vermittlung des Schulsekretariats hin, sah ich mir eine Wohnung im 3. Stock in der Hasselstraße in Ringheim an. Die Vermieterin redselig, erzählte, hessisch dialektgefärbt, so nebenbei alle bekannten Geheimnisse aus dem Lehrerkollegium.

Die Hauptschule Großostheims so um 1950

Endlich Freiheit. Als Lehrer zur Anstellung ohne den lästigen Seminarleiter. Ich übernahm als Klassenleiter eine  5. Jahrgangsstufe.  Die Kollegen waren nett und die Stimmung oft feuchtfröhlich. Am Untermain weiß man jeden Anlass zu feiern. Am Kirchweihtag war schulfrei. Die Schule war riesengroß, drei bis vierzügig. Problematisch waren die sogenannten „cit“ Klassen. „cit“ bedeutete nur mit italienischen Schülern. Es gab einige italienische Lehrkräfte, die in diesen Klassen  „Italienisch“ unterrichteten und sich natürlich super verständigen konnten. Die „Bambini“ beherrschten durch die Bank kein Deutsch und waren eigentlich auch nicht gewillt mit deutschen Lehrkräften zu kommunizieren. Zudem hatte ich das Pech mit den lieben kleinen 5cit-Klässlern am Freitag in der 5. und 6. Stunde Kunsterziehung betreiben zu dürfen. Der reinste Spießrutenlauf. Die Rotzlöffel zogen alle Register, mir, dem armen LzA., die zwei letzten Stunden der Woche zur Hölle zu machen. Dass sie sich gegenseitig mit Wasserfarben bemalten und sich dabei mit den Borstenpinseln beinahe die Augen ausstachen, war noch das geringste Übel.

Da sitzen sie ganz brav, nur einer mit leichter Kriegsbemalung – photo1989/cmartin

Wie aus dem Nichts fingen die netten „ragazzi“ plötzlich an sich zu prügeln, sich auf dem Boden herumzuwälzen, sich gegenseitig zu beschimpfen und  zu bespucken. Zum Glück verstand ich nicht all die Schimpfwörter, die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen. Flöhe sind leichter zu hüten! Also zwei Stunden pures Chaos, obwohl ich mir in der Vorbereitung große Mühe gab, abwechslungsreiche und kreative Themen und Arbeitsweisen anzubieten. Mitteilungen, Ermahnungen und Gespräche mithilfe der  italienischen Lehrer fruchteten  nur kurzzeitig. Durch raffinierte Ablenkung meinerseits, schafften es einige, sich über den Gruppenraum in das benachbarte,  zu dieser Zeit freie, Klassenzimmer zu schleichen, um dort verschiedene Fressalien wie Chips mitgehen zu lassen. Mangelnde Aufsichtspflicht!!!!

Es war mal wieder Freitag, 11.45 Uhr, als trotz Lärm ein lautes Klopfen zu vernehmen war. Einer meiner italienischen Freunde öffnete stürmisch die Tür: Schulrat S., Aschaffenburg-Land. Unvorhergesagter Schulratsbesuch. Oh Sch…. : Unterrichtsplaner, Lehrnachweis – Fehlanzeige. Schriftliche Unterrichtsvorbereitung – ja. Meine italienischen Freunde, die selbst durch den anwesenden Schulrat nur leicht eingebremst wurden, waren das Salz in der Suppe. Der Kelch ging an mir vorüber. Schulrat S. war dann zudem nicht mehr für mich zuständig, als ich ein Jahr später nach Würzburg zurückversetzt wurde. Allerdings begann ich noch zu Großostheims Zeiten mit dem Erlernen der italienischen Sprache an der Volkshochschule.

Mein Klassenzimmer in Großostheim. photocmartin1989

Im ersten Jahr wohnte ich also in Ringheim und man hatte mir als Newcomer einen „Super-Stundenplan“ verpasst. Spät anfangen und spät am Nachmittag aufhören. An einem Tag musste ich erst um 11.20 Uhr mit dem Unterricht beginnen. Klasse. Wenn ich dann um 9 Uhr im Ringheimer Einkaufsmarkt war, habe ich im Umfeld oft die schwänzenden Schüler entdeckt, zudem wurden meine Einkäufe kritisch von Erziehungsberechtigten beäugt, wenn sie auf dem Band lagen.

Die grün-gelbe ausgestattete Dachgeschosswohnung in der Hasselstraße war äußerst hellhörig, meine Wohnungsnachbarn sexuell sehr aktiv. Man hätte fast die Uhr danach stellen können. Die Zeremonie, der Akt, wurde immer mit Musik eingeleitet. „Still Loving You“ von den Scorpions beispielsweise in Dauerschleife. Meistens plätscherte Wasser in die Badewanne. Dazu gesellten sich dann rhythmische Stöhngeräusche der Nachbarin, die dann zunächst wieder abebbten, um dann eine halbe Stunde später von neuem zu beginnen. Als Gegenmaßnahme ließ ich den Fernseher laut laufen. Nach dem ersten Winter pendelte ich dann sowieso jeden Tag hin und her. Im zweiten Jahr gab ich die Wohnung auf.

Gefeiert wurde gern in Großostheim. Hier die Geburt unserer Tochter Anna-Lena 1989.

Was schön war, dass sich mit Manfred H. ein zweiter LzA an der Schule eingefunden hatte. Abundzu fuhren wir im Winter zum Skifahren an den Engländer bei Hösbach. In der Mittagspause gingen wir regelmäßig zum Essen und tauschten uns über das Kollegium aus. Einmal waren wir beim Chinesen. Ich bestellte Schweinfleisch süß-sauer. Bei reger Unterhaltung rutschte ich mit der Gabel ab und kleckerte mir die weiße Hose mit roter Sauce unter der Gürtellinie voll. Absolut peinlich und unübersehbar an pikanter Stelle. Scheibenkleister. Ich hatte noch Werken zu unterrichten, schlich mich an den bereits wartenden Schülern vorbei und warf mir schnell eine Werkschürze über. Uff geschafft!

Am Freitag nach Schulschluss ging es sofort zum hinter der Schule geparkten Auto und wir jagten zur A3. Am Berg zum Spessart hängte Manfred mit seinem Ford Escort-Turbo-Diesel immer meinen Fiat Uno 75 ie ab. Das ärgerte mich. Einmal rief jemand aus der Nachbarschaft der Schule im Sekretariat an und teilte mit, dass ein Fiat mit Würzburger Kennzeichen hinter der Schule Unmengen von Öl verlöre. Es war meiner. Bin dann langsam nach Waldbüttelbrunn zum Fiat-Seuberth getuckert.

Das Kollegium aus Großostheim 1989

Eine Szene aus dem Lehrerzimmer ist mir noch besonders in Erinnerung geblieben. Wie bereits erwähnt waren an der Schule italienische Lehrer beschäftigt. In jeder Pause waren alle Tische des Lehrerzimmers mit ca. 30 Lehrkörpern voll besetzt. Blickrichtung aller war die Eingangstür zum Lehrerzimmer. Die öffnet sich und hereinkommt der großgewachsene, bebrillte und  Seitenscheitel rechts tragende Kollege namens Giovanni A. aus Italien, kratzt sich am Gemächt seiner engsitzenden Hose. Da ruft einer im trockenen südbayerischen Ton: „Nicht kratzen  – waschen Giovanni.“ Giovanni wurde mächtig rot. Wir lagen unter den Tischen.

Es war im Rückblick eine schöne Zeit in „Oustem“: die etwa einstündige Fahrt dorthin ließ einen über die bevorstehenden Stunden sinnieren, ich konnte richtig träumen.  Dann bei Stockstadt auf die B469, durch den Wald und dann war man ob des Schweinegüllengeruchs wach und in „Oustem“ am Dellweg angekommen. Im Unterschied zu Würzburg später war in den beiden Jahren in „Oustem“ der Gabentisch für den Lehrer am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien voll gedeckt: diverse Alkoholika wie Weinbrand, Süßigkeiten in verschiedenster Form, Käse, Hausmacher Wurst und geräucherter Bauchspeck. Einfach mehr Herz und Freude am Schenken.

Übrigens erlangte  „Oustem“ durch die TV-Serie „Mit Leib und Seele“ mit Günther Strack zu dieser Zeit bundesweite  Berühmtheit. In der Schule wurden auch einige Szenen gedreht. (Staffel 1/ Folge 5)

Würzburger Geschichten: „Jetzt kannst du gut schlaf´ und dann gehst morgen wieder in die Schul´. „

Heute sieht das Seniorenheim in der Henlestraße toll aus. In den 60er Jahren als Rotkreuz-Kinderklinik war der Anblick eher beängstigend. (Photo Rotes Kreuz)

Also früher, in den 60 er Jahren, durften wir als Kinder nie krank sein. Der Grund dafür war, dass man in der Schule wichtigen Unterrichtsstoff versäumen würde. Ihr könnt euch vorstellen, es war jedes Mal nicht leicht, wenn es einem richtig dreckig ging und man in die Schule musste. Meine Mutter Hannelore war hier äußerst hartnäckig. Sie war als Schülerin so pflichtbewusst und schleppte selbst bei Luftangriffen immer ihre Hefte mit in den Luftschutzkeller. Wenn es also begann, dass man krank wurde, das heißt die ersten Symptome wie Kopfschmerzen, Husten, Schnupfen und Fieber tauchten auf, wurde sofort mütterlicherseits das Arsenal der Geheimwaffen geöffnet:  erste Maßnahme Fieber rektal messen, zweitens ein heißes Bad in der Badewanne, drittens mit Schalfanzug, Bademantel, Wollstrümpfen und Wolldecken (oder alternativ Wadenwickel) ab ins Federbett zur Schwitzkur. Dazu tröstende Worte: „Wirst sehen, es geht dir gleich besser. Morgen kannste wieder in die Schul´!“ Dann noch ein paar Schluck` Klosterfrau Melissengeist bzw. der damit getränkte Waschfleck auf die Stirn (die Allzweckwaffe!), mit Wick Vaporub-Salbe die Brust gut einreiben und abends vor dem Schlaf, den Kranken noch mit Wickmedinait sedieren.  Der Bub schläft sich gesund. Nach dieser Rosskur ging es einem tatsächlich am nächsten Tag etwas besser. Ab in die Schule. Zähne zusammenbeißen, sonst wurde man als „Markusbruder“ (also einer, der Krankheit simuliert) tituliert.

Also eigentlich gab es krank sein bei uns nicht. Da war man hart. Einmal allerdings, war Schluss mit dem „Markusbruder“. Es war so um 1968 herum. Es lag Schnee, also echter Winter in Würzburg, Ich bekam die Mumps und hatte plötzlich wahnsinnige Kopfschmerzen und hohes Fieber. Dr. Krug, unser Hausarzt kam vorbei. Diagnose: Meningitis, also Hirnhautentzündung. Sofort wurde ich von meinen Eltern in die Rotkreuzklinik in der Henlestraße gebracht. Es war für mich als Kind furchtbar: im selben Zimmer mehrere ältere Jugendliche, mir ging es dreckig, vier Wochen Quarantänezeit (Besuch schaute zu einem Fensterausschnitt in der Tür rein), das Personal wenig freundlich und zu allem Übel kletterten nachts Kakerlaken aus einem Kanalgitter im Zimmer. Dazu diese regelmäßigen Punktierungen. Zum Glück wurde nach etwa zwei Wochen oder so auch Erich, mein Cousin, eingeliefert. Das war schön. Jetzt bastelten wir zusammen Faller-Doppeldecker und andere Flugzeuge.

Zur Geschichte des Hauses: 1928 vom bekannten Kirchenarchitekten Prof. Albert Boßlet als Säuglingsheim erbaut, im Krieg zerstört, dann nach alten Plänen wieder hergestellt und zur Rotkreuz Kinderklinik ausgebaut, nach längerem Leerstand in den achtziger Jahren zwischenzeitig von jungen Leuten besetzt, wurde es schließlich wieder vom BRK-Kreisverband Würzburg übernommen und 1992 als „Seniorenzentrum Frauenland“ eröffnet. (WiKI Würzburg)

RIP: Mike Viertel

15.11. 2019 Sennfeld/ Naturfreundehaus

Habe heute erfahren, dass Mike Viertel verstorben ist. Möge er in Frieden ruhen. Er bleibt als immer freundlicher und herzlicher Mensch in Erinnerung. Ein Gitarrist par Excellence. Es tut weh.

Musikerstammtisch Schweinfurt/ Alte Warthe Jan. 2019
November 2019

Musikgeschichten von früher: Wohl bekomm´s – auf der Suche nach Auftritten

photo: cmartin

Früher in der Zeit ohne Homepages war die Suche nach Auftrittsmöglichkeiten noch eine ganz andere.  Man war mit dem Auto in der fränkischen Provinz unterwegs um eventuelle Auftrittsmöglichkeiten in Form von Kneipen und Wirtshäusern zu erkunden. Meist waren die Anfragen dann, wenn man den Inhaber selbst erwischte wieder schnell vom Tisch bzw. wenn man in den Lokalitäten die Leute sah, die darin verkehrten. Aber wir taten auch gute Locations auf, die wir oft mit Black Bird

Black Bird

oder Klopstock über Jahre hinweg bespielen durfte. Damals waren es aber im Gegensatz zu heutigen  „Der Hut geht rum“-Auftritten, echte, das heißt es wurde ein Eintritt verlangt, den man nach getaner „Arbeit“ mit nach Hause nehmen durfte. 

Klopstock, photoKlopstock

So klapperte man diverse Läden ab. Eine gute Informationsbörse war hier natürlich der „Musik-Treff“ von Kilian Stein in der Seinsheimstraße. Hier wurden dann auch die Erfahrungen mit den Wirten und Veranstaltern ausgetauscht. Ein böser Verein waren hier zum Beispiel die Freaks aus Kolitzheim, wie schon in der Biographie erwähnt, die in ihrer Kneipe „Neu Amsterdam“ die Bands reihenweise über den Tisch zogen.

Klopstock recht unscharf in Gaibach 🙂 aber der Größe nach aufgestellt

Bisweilen waren die Locations schon strange. Ich erinnere mich an eine ganz besonders. Mit Black Bird hatten wir 1981 in Gnötzheim,  Ortsteil von Martinsheim im südlichen Landkreis Kitzingen, schon mal gespielt. Es galt also für Klopstock eine eventuellen Auftritt dort fix zu machen. Hugo, seine Frau Gertrud und ich sind dann an einem Spätnachmittag von Oberbreit dorthin gegondelt. Der Kneipier, ein richtiger Freak, freundlich und nett, war auch vom Vorschlag eines Klopstock – Gigs sehr angetan und man kam so recht gut ins Gespräch.  Allerdings machte der ganze Laden einen recht runtergekommenen und schmuddeligen Eindruck. Der freundliche Typ meinte dann, ob wir nicht ein Schnäpschen mit ihm trinken wollten. Wir hatten nichts dagegen und so lotste er uns hinter dem Tresen in eine Art Küche mit Fenster, holte eine Flasche Korn oder Birne hervor und schenkte jedem ein Stamperl ein. Sehr nett. Er ging kurz raus und wir hoben die Gläser einstweilen, die wohl über Wochen kein Abspülbecken gesehen hatten und milchig trüb bzw. verschmiert waren. Uns grauste es. Er kam zurück und wir waren genötigt die Brühe hinunterzukippen. Wir haben es wahrscheinlich auf Grund des hohen Alkoholgehaltes überlebt. 🙂

Würzburger Geschichten: „Der Radiergummi oder wie man die Rechtschreibung lernt“


Meine zwei ersten Jahre der Grundschulzeit verbrachte ich an der neuen Hauger Schule. Das war eine schöne Zeit. Der Schulweg von der Wallgasse bis zur Semmelstraße war kurz. Gelaufen bin ich jeden Tag mit meinem Freund Thomas M. Allerdings war der Heimweg schöner. Da spielten wir immer Ritter. Die Anorak-Kapuze wurde stets aufgezogen und der Rest baumelte am Rücken runter, das war der Rittermantel. So zogen wir meist zu viert vom Hinterausgang in der Wallgasse zur Neutorstraße. Ein Halt wurde meist am Ende der Neutorstraße eingelegt. Gegenüber vom heutigen „Pan di Zucchero“ befand sich ein kleiner Laden, zu dem drei oder vier Stufen hinaufführten, der für kleine „Rittersleut´“ Bärendreck bereithielt. Für vier Zehner waren wir täglich eingedeckt, um unseren kleinen Kreuzzug zu Ende zu führen. Im schönen Hof der Semmelstraße 67 schauten wir nach, ob der dicke Boxer von Herrn Loos  zu sehen war, „Ritter“ lieben Hunde. Wenn er da war, dann wurde der durchgeknuddelt, obwohl er fürchterlich muffte. Dann ging es weiter zum Bäckerbrunnen an der Metzgerei „Lotter“ vorbei und dann ins Ladenzimmer der Metzgerei Martin, in der mich schon der Leberkäsduft erwartete. Der Leberkäs der Metzgerei Martin galt als der beste der Stadt. Noch heute schwärmen die Leute davon. Meine Mutter stand meist im Laden und bediente. Kurz nach eins gab es Mittagessen , das wir im kleinen Ladenzimmer an einem mickrigen Tisch neben dem dampfenden Leberkäsbräter einnahmen. Täglich gab es Suppe, Hauptgericht und Nachspeise – freitags fleischlos. Da von 13 Uhr bis 14 Uhr Mittagspause war, konnten wir fast ungestört zu Mittag essen. Bisweilen jedoch, als ich in der 3. Klasse in der Pleicher Schule war, kam oft ein ungebetener Gast, der an der Ladenzimmertür im Hof klopfte: Frau Motzel, meine Klassenlehrerin, eine ausgezehrte, alte silberlockige Jungfer, um deren beinahe skelettierten Extremitäten dunkelblaue Baumwollhosen schlotterten. Mutter musste sie dann immer schnell für ihre großen Einkäufe (75 g Fleischwurst, 1 Knäudele und 100 g Hackfleisch) bedienen. Ich war stets froh, wenn sie wieder weg war. So funktionierte damals eine Sprechstunde mit den Erziehungsberechtigten. Nachdem der Tisch abgeräumt war, wischte Mutter den Tisch und das Katholische Volksblatt wurden fein säuberlich auf dem Tisch ausgelegt. Zeichen für mich, dass jetzt neben dem Leberkäsbräter die Hausaufgabenzeit unter dem wachsamen Auge meiner Mutter begann. Ich bin Linkshänder und man hatte mir unter Nachdruck beigebracht, rechts zu schreiben. So holte ich die Hefte mit der Erstklasslineatur heraus und begann zu schreiben. Währenddessen war das Geschäft wieder offen und Kunden mussten bedient werden. Ich gab mir Mühe und schrieb mit Bleistift bzw. nun mit Füller fein säuberlich auf Orthografie achtend. Mutter kam und kontrollierte. „Hm, da hast du ein Wort vergessen! Das schreibst du gleich noch einmal!“ Ratsch – und schon war die Din A5 Seite herausgerissen und die zweite Hälfte des Blattes auch. „Gib dir Mühe!“. Kurze Zeit später. „Da hättest du mehr Abstand zwischen den Wörtern lassen müssen. Das hast du so ´neigeknört“. Ratsch – Seite raus. „Löschblatt unter die Hand, dass ja kein Fettflecken drauf kommt.“ Das Heft wurde nun schon merklich dünner. Ein erneuter Versuch. Mir taten schon die Griffel weh, die „Schreibkraft“ ließ nach. Pfeife – verschrieben! Mutter jetzt recht angesäuert: „Jetzt müssen wir radieren.“

Der blaue Anteil des Radierers schmiert. Der Leberkäsbräter dampft munter vor sich hin. Jetzt ist auch noch ein Fettflecken drauf. Noch einmal. Wieder verschrieben. Es wurde der hellblaue Radierer erneut strapaziert. Die Lineaturseite wurde durch den wiederholten Einsatz des Radierers zunehmend aufgeraut. Tintenkiller gab´s noch nicht. „Pfeife – jetzt ist das Schreibblatt auch noch durchgerubbelt. Geh´schnell zum Schreibwaren „Kurtze“ und kauf´ ein neues Heft!“ So fiel es mir leicht die deutsche Orthografie zu erlernen. Meine Mutter übrigens, hatte nie eine schöne Schrift besessen. Das Wort Weißwurst war bei ihr nur mit Fantasie zu lesen. Zwei W im Abstand, nach jedem ein waagrechter Strich! Martinsche Kurzschrift halt. Leberkäse:

L strich k strich! Geht doch!

Monthly Guitar: April / Gibson Custom Shop R8 VOS Lemonburst

photo musik produktiv
photo cmartin
photo by musik produktiv

Gibson Les Paul R8 VOS Lemonburst nicknamed “GM”

This is by far the most outstanding axe of my collection.

It was a coincidence then in 2011. I wasn´t looking for a new Gibson Custom shop Les Paul at all, cause I had already three of them. But one day in December I saw this R8 at Musik Produktiv´s Guitar Gallery. I fell in love and watched the gallery.  But to buy an unseen expensive guitar online is  a risk. I recognized by enlarging the pics that there must be some hidden flames or stripes on the top. On Saturday I made the decision and ordered it. Finally the guitar arrived on December 14th. And I had luck: Right out the box it was the axe I searched for so long. Its stunning top reminded me on some Bursts Gary Moore played.

photo cmartin

His workhorse “Stripe” is similar to mine. And there was another burst he used to play in 1999. So she´s nicknamed “Gary Moore”. She´s got the 2009 Custom Shop specs and is really different to my 2006 R9. Compared to my other Custom Shop Les Pauls, she got soundwise all in between: not sharp, not too bassy, just balanced in every way. And the tone and volume knobs, she´s got 50s wiring like my Goldtop, are just awesome. You play some cool rhythm with the volume knob around 8, and then for soloing you turn to 10 – she begins to roar. Otherwise to achieve a less aggressive, more clean tone, you roll the volume down. Same for the tone knobs. Roll it back to 8 you get a real warm violin tone, and further the one Joe Bonamassa is using. And the best is, she is not getting muddy at all.

photo cmartin

The fretboard looks like ebony, but it´s rosewood. Weight is around 4 kg. The top is real vintage looking with lots of mineral streaks and  Peek-a-boo stripes, too bad that her beauty is hard to catch on photo. The waves are really deep looking and they move. The amber color is absolutely amazing.

Every angle is different.  The VOS hardware looks authentic and after permanent use  for 8 years she´s got some aging road worn, too. On the historic Les Paul data base she got a few clicks so far 🙂

https://www.historiclespauls.com/index.php?action=showgallery&id=1138&requesturi=%2Findex.php%3Faction%3Dshowmodel&model=%25&orderby=hits+DESC&volltext=

Video

photo cmartin
photo LM

Würzburger Geschichten- Oma Mathilde – die Spinatlist, Eierlikör und Wasserwelten

Die Metzgerei Martin vor dem 16. März 1945 – Mathilde Martin 3. von rechts
Sonntagsausflug der Familie Martin – mit Chauffeur

Oma Mathilde war meine über alles geliebte. Sie hat mich verwöhnt. Leider ist sie (*1900) bereits 1966 verstorben. Was sie alles durchgemacht hat: 22. Dezember 1944 ihr Mann Konrad Martin verstirbt, kurze Zeit später die Nachricht, dass ihr ältester Sohn Georg am 28. Dezember 1944 in Kurland/ Russland gefallen war. Und als ob das noch nicht genügt hätte, am 16. März 1945 Bombenvolltreffer in der Semmelstraße 23. Geschäft und Wohnhaus in Trümmern.

Familienbild 1944 – Mathilde, Konrad (mein Vater), Maria (später verheiratete Kirchner), Georg und Konrad Martin

Unglaublich und  ihre Kinder, Maria 19 Jahre alt  ( später verheiratete Kirchner) und mein Vater Konrad, damals 17 Jahre und als Flakhelfer in Schweinfurt, gab´s auch noch. Mein Vater, der in Randersacker als Metzgerlehrling tätig war, schwebte zudem  wegen eines Blinddarmdurchbruchs zwischen Leben und Tod.

Mathilde links, meine Eltern Konrad und Hannelore Martin, Gottfried Keller, der Schwiegervater (Pächter der Bürgerspital Weinstuben)

Kurz nach dem Bombenangriff begann sie bereits mit dem Wiederaufbau eines Hinterhauses mit Wohnung und Wurstküche. Bis zu ihrem Tod stand sie noch regelmäßig in der Metzgerei Martin. Ich war oft bei ihr und genoss es.

Weihnachten ca. 1963/64 Konrad, Mathilde und mein Bruder Georg

Es gab immer Honigbrote zu futtern und bisweilen kochte sie mir mittags meinen geliebten Spinat. In der ganzen Wohnung herrschte ein „omaeigener“ Geruch, an den ich mich gern erinnere. Irgendwie war es damals so, dass man dachte , Leber zu essen, sei unwahrscheinlich wichtig für den kindlichen Organismus. Ich mochte keine. Partout nicht. Sobald ich den Geruch bzw. Geschmack wahrnahm, überkam mich Ekel. Da man wusste, dass ich auf Spinat Heißhunger hatte, „häckselte“ Mathilde Leber derart klein und versteckte diese atomisierten „Spurenelemente“ im frisch zubereiteten Spinat. Aber in der Beziehung konnte man mir nichts vormachen: den ersten Löffel sofort wieder „rausgespetzt“. Im Mund war schon Ende Gelände! List gescheitert. Man bot mir nie mehr Leber an. Dafür musste ich eine Zeitlang „Lebertran“ schlucken. Den musste ich unter Aufsicht meiner Mutter morgens vor der Schule einnehmen. Zum Glück war er in  festen Gelatinekapseln eingeschlossen. Mund auf – Kapsel rein – und schlucken. Nase zuhalten. Schnell Tee danach. Würg! Wenn man sich nicht beeilte, entfaltete sich der liebliche Geschmack schon im Mund. Aus diesem Grund kann ich heute noch große Tabletten mühelos runterschlucken. Glaubt´s mir.

Mathilde mit Georg im Garten auf der Keesburg

Der Bub kriecht Eierlikör

Unglaublich – aber eine andere Vorliebe meinerseits war Eierlikör. Ich hätte ihn literweise schlürfen können. Mathilde war gegenüber Alkoholika keine Kostverächterin. Man sagte damals, sie schöppele gern. Regelmäßig kam sie abends zu uns in den ersten Stock und fragte meinen Vater, ob er nicht auch nen Schoppen wolle. Der trank dann ihr zuliebe ein Gläschen mit, hatte aber mit Alkohol generell wenig am Hut. Ich dagegen stand auf süßen Eierlikör und bediente mich gerne unerlaubt und heimlich an unserem barocken Spirituosenschränkchen im Wohnzimmer. Das fiel auf und es gab Ärger. Mathilde produzierte dann für mich „Kindereierlikör“ mit reduziertem Alkoholgehalt. Das war supernett. Übrigens stellte Mathilde nebenbei Schnaps her. Im Herbst stand im Hinterhöfle der Semmelstraße ein Holzfass, in dem Spirlinge (äußerst süßes gelbes Steinobst) aus unserem Garten vor sich hingärten.

Omas Garten – das Johannisbeermeer

Sommers war Gartenzeit – natürlich auch für Mathilde. Sie hegte und pflegte ihn, das dazugehörige hübsche, adrette  Sommerhäuschen war eine Pracht. Es hatte das Flair eines französischen Schlösschens mit seinem großzügigen Fenster und den bleiverglasten Putzenscheiben. Angebaut wurde alles, was die Küche so brauchte. Obstbäume verschiedenster Art, Stachelbeeren und vor allem Johannisbeer-Sträucher. Unter den Büschen alles fein gehäckelt (von Hacke!), der Boden gelockert und das Unkraut penibel gejätet. Umso schlimmer war es dann, wenn die Enkel wieder etwas anstellten und die Gartenordnung in Unordnung brachten. Einmal zum Beispiel kam einer von uns auf die Idee, man könnte doch aus dem Bereich  der Johannisbeersträucher ein Stromland, so wie in der Antike, herstellen. Den Schlauch in der Nähe des Häuschen verankert und voll auf. Tatsächlich kämpften sich bald braune Schlammfluten durch die Sträucher, das Nildelta mit dem breiten, lebenspendenden Strom war nachgebildet. Mathilde schimpfte. Wir sorgten schon für Aufreger. Auch als ich mich splitterfasernackt auf den Weg machte die Ebertsklinge in Richtung Sieboldshöhe zu erkunden. Oma war nervlich aufgewühlt, da ich urplötzlich verschwunden war. Von einem Passanten erhielt sie dann die Info, dass ein „Klenner“ nackig die Ebertsklinge „naufgerannt“ wär`. Also schnell hinterher, Mathilde.

Auch ein Bild aus früheren Tagen: Cousine und Cousins
Vorne links Thomas Kirchner, rechts Regina Steigerwald , geborene Kirchner; hinten von links Michael und Erich Hessenauer; anlässlich der Kommunion meines Bruder Georg in unserem Kinderzimmer in der Semmelstraße aufgenommen.

Würzburger Geschichten: Wie man für einen Bandauftritt plakatiert hat und die CSU- Mitglieder fernblieben.

In den früheren 80 er Jahren hatten wir bei unserer Band Black Bird eine Sängerin, deren Vater Drucker bei der Main Post (?) war. Abundzu konnte er für Probedrucktests Plakatvorlagen durchjagen. Das war cool. Nachdem uns die Sängerin verlassen hatte, gab´s keine Plakate mehr. Jetzt legten wir selbst Hand an: Eine Schablone aus Styropor wurde angefertigt, Farbdosen und Papier besorgt und in unserem Garten wurden am Fließband Plakate DIN A 2 produziert. Die Plakate haben wir dann überall zum Trocknen aufgehängt. Zu dumm war, dass die Schablone immer von den Farben zerfressen wurde.

Die folgende Tat dürfte nach beinahe 40 Jahren verjährt sein. Es war ein Gig im AKW (Autonomes Kulturzentrum Würzburg, Sartoriusstraße) ausgemacht. Also musste wie üblich von uns plakatiert werden. Wir waren mit meinem R4 fleißig unterwegs und kurvten durch die Stadt mit Tapetenleimeimer und einer beträchtlichen Anzahl selbstgemachter Plakate. Da gab es einen fetten Lüftungsschacht am Würzburger Marktplatz, der ringsum plakatiert war. Da hingen allerdings schon frische Plakate der Argo-Konzertagentur. Nun sahen wir die Stelltafeln der Würzburger CSU, die für den Stadtparteitag rings um den Marktplatz installiert waren. Eimer raus und Plakate an die Stellwände – die sieht jeder – Bombenwerbung mitten in Würzburg. Zu dumm, dass Wochen zuvor ein uns bekannter Schelm, die Helmut Kohl-Plakate mit einem eigenen Slogan versehen hatte. Das Original hieß „Kohl kommt“ und mutierte in der Nacht zu „Kohl kotzt“. Zwei oder drei Tage später sehe ich im Lokalteil des „Würzburger Volksblatt“ unser Plakat: Black Bird mit Barbara Stamm und Franz Gerstner mit

entsprechendem Kommentar: ….eine Unverschämtheit jetzt sollten eigentlich alle demokratischen… Unser Schlagzeuger fand das gar nicht witzig und machte uns die größten Vorwürfe. Bei unserem Konzert im AKW war allerdings trotz Werbung keiner von der CSU  anwesend. 🙂

Würzburger Geschichten: Bloß nicht nachmachen: Episode 1 Wie man Batterien auflädt / Episode 2 Die Rakete fliegt tatsächlich!

Episode 1: Bloß nicht nachmachen: Wie man Batterien auflädt

Wie schon in der Biographie erwähnt war in der Sommerzeit unser Paradies auf Erden der Garten auf der Sieboldshöhe. In den Sommerferien also gut 6 Wochen lang Abenteuerferien. Wir hatten alles, was man so braucht: Fußballbolzwiese, Westernhütte in Form des alten Hühnerhäuschens, Ritterburg – das geräunige Gartenhaus von Oma Mathilde -, Bäume und Versteckmöglichkeiten noch und noch. Dazu gab es eine große Garage, die meine Eltern wohnlich eingerichtet hatten.

Vorne ein Garagentor mit Gipsstellwand dahinter , auf der Rückseite richtiges zweiflügliges Fenster, Eingangstür und Terrasse mit der damals obligatorischen Hollywoodschaukel. Die Innenausstattung bestand aus einem Bauernzimmer, Schlafcouch und Küche mit Herd und Kühlschrank. Bei Schlechtwetter also eine gemütliche Rückzugsmöglichkeit. Im  Garten hatten wir ein rundes Schwimmbecken, das von uns Kindern regelmäßig gewartet werden musste. Neben dem Schwimmen hatten wir enormen Spaß mit diversen Bötchen, die wir auf unserm „Meer“ zu Wasser ließen: Piratenschiffe, Fischkutter und eine neue, bei der Firma Schum am Schmalzmarkt, erworbene  batteriebetriebene Yacht.

Besonders jenes hatte es mir angetan.

Leider waren bald die vier großen Batterien am Ende und kein Ersatz zur Hand. Ob es damals schon  Aufladbare gab, weiß ich nicht. Aber ich war der festen Überzeugung, man könnte sie aufladen. Wenn ich nur noch wüsste, wer mir das eingegeben hat? Naja. Batterien raus aus dem Boot und  in der Wohngarage mit der Minus-Seite auf die Herdplatte gestellt. Der Strom kommt bei Minus rein und wandert zum Plus-Pol. Herd mal lieber nur auf eins. Langsam aufladen. Und wieder raus in den Garten. Einige Zeit später erinnerte ich mich wieder an den Ladevorgang. Uiii. Die Batterien hatten sich selbstständig gemacht. So ne Sauerei. Schwarze ölartige Spuren waren an der geweißelten Decke zu sehen. Der Herd sah zum Glück nicht so schlimm aus. Am Abend musste ich alles  beichten. Bloß nicht nachmachen!!!

Episode 2: Bloß nicht nachmachen – Raketenantrieb und Flugversuche sie fliegt tatsächlich!

kein Originalbild

Die Passion meines Bruders Schorsch war schon immer die Chemie, vor allem später beruflich noch viel mehr.  Also früh übt sich, wer ein Meister werden will. Jugendliche Interessen sind zu fördern – und so bekam er einen Experimentierkasten zu Weihnachten  geschenkt, so mit allem, was ein Juniorchemiker braucht. Um seinem Hobby intensiver zu frönen, hatte er sich in unserem Hühnerhäuschen ein kleines Versuchslabor eingerichtet, das sommers betrieben wurde.  Ich war bei all den Experimenten nur staunender Statist, der sich über plötzlich einsetzende unbeschreibliche Verfärbungen, blubbernde Erlenmeyerkolben, kleine Explosionen und Stichflammen diebisch freute. Chemikalien, die wahrscheinlich heute längst nicht mehr für Jugendliche zu erwerben wären, wurden von ihm in einem Geschäft in der Koelikerstraße/  Ecke Bachgasse gekauft.  Mein Bruder, den billigen Schulversuchen bald überdrüssig,  war begeistert von der Idee des Raketenbaus oder raketenbetriebener Fahrzeuge. Kein Wunder, es war die „Hochzeit“ der amerikanischen Raumfahrt.

Experimentiert wurde von ihm mit Wasserglas. Packpapier (aus der Metzgerei zweckentfremdet) wurde mit Selbigem getränkt bzw. eingepinselt und dann zu einer Art Treibstoffbehälter gerollt.

„Das Wasserglas schützt gegen die Einwirkung des Feuers, des Wassers und der Luft. Papier wird gleichsam verglaset, wodurch es außer der so schätzenswerten Eigenschaft, kein Feuer zu fangen, auch noch sehr bedeutend an Dauerhaftigkeit gewinnt.“ (So ein altes Chemiebuch!)

 Aus Balsaholz, bei der Firma Schum am Schmalzmarkt gekauft,  entstanden Abschussrampen oder Raketen- bzw. Fahrzeuguntergestelle mit Rädern. Trial and Error-Versuche waren nötig um die richtige Zusammensetzung des Raketentreibstoffes herauszufinden. Es gab natürlich hier auch herbe Rückschläge im wahrsten Sinne des Wortes. Nur so viel sei hier verraten: Unkrautex und Zucker waren auch dabei. Die Versuche mit den Wasserglasrollen waren meist ziemlich erbärmlich. Deshalb experimentierte Schorsch bald lieber mit handfesterem Material: Metallrohre jeglicher Couleur. Meine Cousins und ich waren immer gespannt auf den Ausgang der spannenden Experimente und beobachteten diese in sicherer Entfernung. Ja und eines Tages war es soweit. Die Krönung jedes Forschers: Das Objekt soll heute fliegen. Aber wohin? Welche Flugbahn nimmt es?

kein Originalbild!

Es war wieder mal alles für ein Experiment vorbereitet. Die Rakete in Form eines Eisenrohrs gefüllt mit Brennstoff, Zündlinie aus Schwarzpulver, Abschussrampe. Ausrichtung der Vorrichtung  gen Westen. Sicherheitsabstand zum Nachbargrundstück Militzer in westlicher Richtung etwa gut 70 Meter. Countdown und Start. Und sie flog wirklich – weit. Eine Rauchfahne hinter sich herziehend wie ein Blitz und landete – im Pool unseres Nachbarn  M. in der Otto-Naglerstraße. Es gab Ärger – dann!!!!

Würzburger Geschichten: Sonntagsgottesdienst in kratzigen Hosen

Eine meiner Lieblingsgeschichten. Viel Vergnügen beim Lesen! 🙂


Katholisches Würzburg, katholische Eltern, katholische Kinder heißt Sonntagsgottesdienstpflicht! Jeden Sonntag waren Schorsch und ich wahnsinnig motiviert den Gottesdienst zu besuchen. Denn eigentlich war der Sonntag der einzige Tag, an dem wir ausschlafen konnten bzw. eine ruhigere Kugel schieben konnte. Samstags war ja damals bis 11.20 Uhr Schule, danach war Mitarbeit im elterlichen Betrieb angesagt. Unsere Eltern gingen entweder am Samstagabend oder in aller Frühe zur Messe. Für uns war immer die 10 Uhr Messe in der Fransziskaner Kirche angedacht. Sonntags war Jeanstrageverbot. Zum sonntäglichen Messegang „durften“ nur Stoffhosen in Grau oder Schwarz getragen werden. Diese Dinger kratzten furchtbar, also besaßen einen miserablen Tragekomfort, der vor allem auf den ersten hundert Meter einen staksigen Gang zur Folge hatten, denn das Kratzen ließ erst leicht nach, wenn sie „warm“ gelaufen waren. Die Hosen wurden generell beim Wöhrl (damals noch in der Eichhornstraße, wo heute ein Drogeriemarkt drin ist) gekauft.

Mutter ging dort immer allein einkaufen und brachte tütenweise Hosen, Jacken und Pullover zur Auswahl mit. Werktagabends war  im Wohnzimmer dann „Kleiderprobe“. Was nicht gefiel, wurde von ihr am nächsten Tag zum Wöhrl zurückgebracht. Eigentlich war´s schon so ähnlich wie heute mit dem Online-Shopping.  Anprobieren und bei Nichtgefallen mit Mutter zurückschicken. Sonntags vor dem Kirchgang also Wöhrl-Stoffhosen in Schwarz oder Grau an. Entsprechend jämmerlich begann also der Sonntag, an dem ich mich lieber ganztägig mit den Elastolin-Figuren „herumgeschlagen“ hätte. Wir bummelten also in mäßigem und etwas breitbeinigen Schritt Richtung Theaterstraße und sinnierten über unser strategisches Vorgehen, denn unsere Mutter fragte uns bisweilen über den Gottesdienst aus: Evangelium ?, Predigt? und wer? so drin war! Als wir endlich durch den Seiteneingang in den Weihrauch geschwängerten Sakralraum eintraten, waren schon die ersten fünf Minuten rum. Damals waren die Kirchen noch proppenvoll. Wir postierten uns dann immer geschickt links an so einem Rittergrabmal der Wetzhausener gleich neben dem Seiteneingang, also in der Nähe des Fluchtweges 🙂 .

Unsere Blicke scannten die anwesenden Gläubigen: Irgendein Bekannter dabei? Nö. Merk´ dir das Evangelium! Der Anfang der Predigt ist auch noch wichtig. Dann erfolgte der geordnete Rückzug – im Notfall konnten wir Rede und Antwort stehen. Endlich draußen. So jetzt haben wir noch mindestens 25 Minuten Zeit – vor 11.15 Uhr brauchen wir in der Semmelstraße nicht aufzuschlagen. Wer nun glaubt, wir wären ziellos durch die Innenstadt gebummelt, irrt sich gewaltig. Also auf!  Erst einmal zum Vogel Peter ( damals die Zoohandlung in der Ursulinengasse). Und für uns als Aquarianer besonders attraktiv. Mal gucken, ob der neue Fische in den Schauaquarien hat. Noch eine Menge Zeit – dann statten wir dem Samen-Fetzer am Barbarossa-Platz/ Ecke Kaiserstraße auch einen Besuch ab: „Schau´mal, dem sind ein Haufen Fische verreckt! Die haben alle die Pünktchenkrankheit! Glaub´jetzt können wir heim.“ Kurz vor der Metzgerei gingen wir unser „Alibi“-Angaben noch einmal durch. Wer war noch in der Messe? War nicht die Frau Hahnenkamm  drin? Stimmt – wenn du´s sagst, die war drin! 🙂

Demnächst folgen hier zwei Kurzgeschichten unter dem Motto „Bloß nicht nachmachen! „